Die Verfuehrung Des Ritters
sind glücklich, und sie haben genug zu essen. Everoot wird dir lange Zeit ein gutes Heim sein.«
»Es ist vor allem Guineveres Verdienst, dass es so ist.«
»Vielleicht. Auf jeden Fall wird Everoot im Norden ein starkes Bollwerk sein.« Henri griff nach seinem Becher. »Es gibt da ein paar Gerüchte, Pagan«, sagte er dann frei heraus.
Griffyn hatte gewusst, dass sein König ihn danach fragen würde. »Was für Gerüchte?«
Henri beobachtete ihn über den Rand seines Zinnbechers. Das Metall ließ seine eisblauen Augen noch kälter wirken. »Über einen Schatz.«
Griffyn nickte langsam und erwiderte freimütig Henris scharfen Blick. »Als mein Lehnsherr sollst du dies wissen: Was immer du wissen musst, wirst du erfahren. Was dir gehört, wirst du bekommen. Everoot steht dir getreu zur Seite.«
Henri dachte darüber lange nach. Wahrscheinlich überlegte er, ob er diese ausweichende Antwort hinnehmen sollte, obwohl ein Schatz auf dem Spiel stand.
Aber irgendwas hielt ihn zurück.
Vielleicht war es das geheime Wissen, das ihm von seinem Großvater mitgegeben worden war, der einst die reichen Ländereien des Angevin aufgegeben hatte, um eine Hexe zu heiraten und sich zum König von Jerusalem krönen zu lassen. Vielleicht war es auch kluge Voraussicht, dieselbe, die ihn veranlasst hatte, den Tempelrittern Ländereien in England in Aussieht zu stellen.
Vielleicht war es aber auch die Erkenntnis, dass ein Schatz, der irgendwo vergraben lag, nicht halb so wertvoll war wie eine starke Allianz. Henri nickte, aus welchem Grund auch immer.
»Ja, Everoot wird an meiner Seite stehen, das weiß ich. Oder zumindest du wirst an meiner Seite stehen.« Er hob seinen Becher.
Griffyn neigte den Kopf. »Mylord.«
Später am Abend saß Griffyn auf seinem Bett und betrachtete Guinevere, die neben ihm lag und tief und fest schlief. Es gab keine Alpträume mehr, nichts, was sie aus dem Schlaf aufschrecken ließ. Für einen kurzen Augenblick huschte im Schlaf ein Lächeln über ihr Gesicht. Wenn er nur einen kleinen Anteil daran hätte, dass sie wieder schöne Träume hatte, dann war es gut so. Dann war es ihm genug.
Nein, gestand Griffyn sich sogleich ein. Es war nicht genug. Er deckte Gwyn sorgsam mit den Felldecken zu und erhob sich. Er fühlte sich verpflichtet, die Papiere, die in Guineveres Schatulle lagen, zumindest zu lesen.
Er nahm die Pergamentrollen und setzte sich zum Lesen auf die Bettkante. Er beugte sich über die Papiere, entzifferte die lateinischen und hebräischen Passagen und übersetzte sie in Gedanken. Er merkte schnell, dass es sich nicht bei allen Papieren um Karten handelte. Eine schien sogar Anweisungen zu enthalten.
Er beugte sich weiter vor. Seine Lippen bewegten sich, während er die Texte übersetzte. Es dauerte eine Weile, und er war so in diese Beschäftigung vertieft, dass er vor Überraschung fast vom Bett gefallen wäre, als ihm aufging, was die Worte besagten. Dann brach er in lautes Lachen aus.
Gwyn hob den Kopf. »Griffyn?«, fragte sie. Ihre Stimme klang verschlafen.
»Weißt du was?«
»Was soll ich wissen?«
Griffyn zeigte auf die Pergamentrollen. »Was ich damit machen soll.«
»Mit dem Schatz?« Sie richtete sich auf. »Alex hat gesagt, nur der Erbe wüsste das.
Der Hüter des Schatzes.«
»Ich bin vielleicht der Erbe, aber ein Hüter bin ich nie gewesen. Aber jetzt!« Er zeigte auf die Papiere. »Nachdem ich das hier weiß!? Ja, nun kann ich mich dafür entscheiden, die Bürde zu tragen. Ich werde ein Hüter sein.«
Gwyn wandte den Kopf ab und legte ihre rechte Hand auf ihr Herz. Ihre Finger schlossen sich um ein Pergament.
»Gwyn?«
»Dann wirst du fortgehen, nicht wahr? Ich werde mich gleich morgen früh daranmachen, deine Sachen zu packen.«
Überrascht blickte er sie an. »Warum?«
Sie zeigte auf die Dokumente und Karten, die auf dem Bett verstreut lagen. »Du musst doch diese Heiligtümer finden, oder nicht?«
Er lächelte. »Das ist nicht ganz richtig.«
Sie blickte ihn von der Seite an. Irgendetwas schien ihm sichtlich zu gefallen. Er betrachtete die Pergamentrollen und sah geradezu glücklich aus. Sie setzte sich auf.
»Was meinst du damit?«
»Ich muss sie nicht finden. Weil ich weiß, wo sie sind.«
Sie kniff argwöhnisch die Augen zusammen. »Wo denn?«
»Unten.«
Sie spürte, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich.
»Komm mit, ich zeige es dir.«
Eilig kleidete sie sich an und folgte Griffyn die dunkle Wendeltreppe hinab in das Kellergewölbe. Sie hielten
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