Die Verfuehrung Des Ritters
ab zu gehen.
Kleine Steinchen knirschten unter seinen Stiefeln. Gwyn blickte zwischen den beiden Männern hin und her. »Was denn? Was sucht ihr?«
»Den dritten Schlüssel.«
»Einen dritten Schlüssel?«
»Wir brauchen noch einen Schlüssel.«
Seine Worte klangen dumpf und betrübt. Gwyns Herz schlug plötzlich schneller, und sie beugte sich vor.
»Ich habe einen Schlüssel. Einen kleinen goldenen.«
Griffyn öffnete die Augen. Sein Blick brannte sich in ihren. Sie nickte bestätigend. Ihr wurde schwindelig, und sie tastete nach der eingenähten Tasche in ihrem Gewand.
Jeden Morgen vollführte sie dieses Ritual und nähte die kleine Stofftasche von innen an ihr Kleid. Sie wollte den letzten Gegenstand, den ihr Vater ihr einst anvertraut hatte, immer bei sich tragen. In den braunen Falten des Beutels ruhte der kleine Schlüssel, den ihr Vater ihr auf seinem Sterbelager anvertraut hatte. Wenn sie ihn bei sich trug, fühlte sie sich sicher. Und wenn sie ihn morgens manchmal aus dem Beutelchen nahm, schimmerte er golden, selbst im frühen Dämmerlicht, als würde die Sonne auf ihn scheinen.
Mit zittrigen Händen riss sie die Tasche vom Gewand und legte sie in Griffyns schwielige Hand.
Er blickte Gwyn einen Moment lang an, ehe seine Hand sich um den Beutel schloss.
Er nahm die beiden Schlüssel, die bereits auf dem Tisch lagen, und steckte sie ineinander. Mit einem Klicken fügten sie sieh zusammen. Dann drückte er Gwyns kleinen Goldschlüssel in die Mitte. Ein dreifarbiger Schlüssel lag nun in seiner Hand.
Der Silberschlüssel lag im schwarzen Äußeren des Eisenschlüssels, und ihr goldener ruhte in der Mitte. Er schimmerte verlockend wie das Ende eines Regenbogens.
»Heilige Mutter Gottes«, murmelte Alex ehrfürchtig.
»Er ist wunderschön«, hauchte Gwyn.
Griffyn atmete langsam aus.
»Und was passiert jetzt?«, fragte Gwyn und blickte auf.
Griffyn schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung.«
Sie zeigte auf die Schatulle, in deren Geheimfach noch immer die Dokumente lagen.
»Was ist mit den Papieren?«
Nur langsam richteten die Männer ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Kästchen.
Griffyn nahm eine der Schriftrollen heraus. »Pergament«, sagte er leise. Teures Pergament. Aber das Nächste, was er hochhielt, ließ Gwyn überrascht nach Luft schnappen.
»Ist das Kupfer?«, murmelte sie. Ihr Mund wurde trocken. »Was ist das?«
Griffyn staunte ebenso wie sie. »Es sind Karten.«
»Karten?«
Er hielt ihr einige Pergamente hin. Mit der freien Hand hob er ein paar Kupferplatten aus dem Fach, die wie Bronze schimmerten.
Sie starrte die Karten an, ohne so recht zu begreifen, was sie bedeuteten. »Was zeigen diese Karten?«
»Es sind Schatzkarten«, flüsterte Alex.
Gwyn beugte sich über die Tischplatte. Tatsächlich konnte sie auf einigen Pergamentbögen schnörkelige Linien erkennen, die das Ende von Landmassen genauso gut anzeigen konnten wie Wasserwege. Sie erhaschte einen Blick auf die Abbildungen, die mythische Wesen zeigten. Sie waren mit bunten Farben ausgemalt, die Buchstaben waren kunstvoll gearbeitet. Ein Geruch nach modrigen Kräutern und feuchten, uralten Geheimnissen lag plötzlich in der Luft.
Sie schaute Griffyn an, der sich über die Papiere beugte. Er bewegte stumm die Lippen, während er las. Vermutlich war der Text in Lateinisch verfasst. Die Mönche im Kloster hatten auch immer lateinisch geschrieben. Eine Vorahnung ergriff Besitz von Gwyn, und sie fühlte sich seltsam beklommen.
»Was hat das alles zu bedeuten?«, flüsterte sie. »Wer bist du ?«
»Er ist der Nachfolger von Karl dem Großen.« Alex' Stimme kam aus den Schatten.
Sie blickte auf. »Was hat das zu bedeuten?«, wollte sie wissen. »Was macht es mit ihm?«
Griffyn hob den Kopf. Er blickte sie an, aber sie konnte in seinen Augen nichts lesen.
Sie erbebte unter diesem Blick. Es lag etwas Majestätisches darin, das er zu verbergen versuchte, das sie aber dennoch sah. Es raubte ihr den Atem.
Es war erneut Alex, der ihre Frage beantwortete. »Es bedeutet, dass er gleichermaßen die Bürde und die Ehre zu tragen hat, Schätze zu bewachen, die seit über tausend Jahren in unserer Obhut sind«, sagte er laut und klar. Es hätte sie nicht gewundert, wenn sogar Henri und seine Armee, die nur noch wenige Meilen entfernt waren, ihn gehört hätten. Es schien ihr, als ob Alex sein Leben lang daraufgewartet hatte, es laut aussprechen zu dürfen. »Während es einige gibt, die im Namen Gottes kämpfen und in
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