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Die Verfuehrung Des Ritters

Die Verfuehrung Des Ritters

Titel: Die Verfuehrung Des Ritters Kostenlos Bücher Online Lesen
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Das Mieder schmiegte sich so eng um ihren Leib wie die Ärmel ihre Arme bis zu den Ellbogen umschlossen, ehe sie sich weit auffächerten und in eleganten Falten ihre Handgelenke umspielten. Das ebenholzschwarze Haar fiel ihr in Locken bis weit auf den Rücken, nur einzelne Strähnen umschmeichelten ihre Wangen. Ein dünner Silberreif um ihre Stirn hielt den zarten Schleier aus hellgrüner Spitze fest. Nach außen war sie das Musterbeispiel einer sittsamen Frau von bester Abstammung und von außergewöhnlicher Schönheit.
    In ihrem Innern jedoch herrschte Aufruhr, und ihre Nervosität drohte überzukochen.
    Guinevere de l'Ami, die Tochter des erlauchten Grafen von Everoot, stand dicht an der Wand des Saales und umklammerte ihren leeren Weinkelch so heftig, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Einem vorbeigehenden Baron lächelte sie gleichgültig zu, woraufhin dieser auf sie zusteuerte und ganz und gar nicht gleichgültig lächelnd seine grau verfärbten Zähne zeigte. Gwyn sank das Herz. Ein junger Knappe ging an ihr vorbei. Sie beugte sich vor.
    »Darf ich?«, fragte sie mit einem Lächeln und nahm ihm den Weinkrug aus der Hand.
    Sein bartloses Kinn sackte herab. Er starrte erst auf seine Hand, dann auf Gwyn, die sich bereits ihren Weg durch die Menge bahnte, den Weinkrug fest in den Händen haltend. Sollte jemand versuchen, ihn ihr wegzunehmen, würde sie ihn auf dessen Kopf zerschmettern.
    Sie fand eine kleine Fensternische direkt neben der neuesten Errungenschaft in diesem alten, zugigen Gemäuer: einer Feuerstelle. Sie versuchte, zwei Dinge zugleich in die Tat umzusetzen: mit der Wand hinter ihrem Rücken zu verschmelzen und sich ordentlich zu betrinken. Sie verzog das Gesicht, weil der Wein tranig schmeckte, nahm dann aber doch einen großen Schluck.
    Um sich für das Kommende zu wappnen, gab es viele Möglichkeiten.
    Hingegen gab es nur wenige Orte, genauer gesagt, nur wenige so großartige Orte, die besser als dieser dazu geeignet waren, sich mit Wein zu stärken. Sie befand sich auf dem Fest des Königs, das dieser am Ende einer zermürbenden Woche voller Sitzungen mit seinen mächtigen Ratgebern gab. Männer wie der reiche Graf von Warwick oder der mächtige Graf von Leicester waren zu diesem Fest gekommen.
    Männer, die so viel Macht hatten wie ihr Vater. Es waren die wenigen, unschätzbar wertvollen Getreuen, die dem König inmitten dieses schrecklichen, blutigen Bürgerkriegs geblieben waren.
    Seit sechzehn Jahren war der englische Adel nun schon in zwei Lager gespalten.
    Familien waren auseinandergebrochen, Freundschaften zerstört worden, Erbschaften verloren gegangen. Räuber beherrschten die Straßen und plünderten die Dörfer. Hinzu kam, dass das Land ausblutete und verdorrte. Aber jetzt würde es noch schlimmer kommen.
    Die Nachricht verbreitete sich bereits: Der mächtige Graf von Everoot war gestorben. Und seine Erbin, Guinevere de l'Ami, war eine alleinstehende Frau.
    Sie stürzte den nächsten Schluck Wein herunter.
    In dem großen, weitläufigen Saal dieser Londoner Festung war es mit Einbruch der Dämmerung dunkler geworden. Als die Sonne sich dem Horizont näherte, verströmte sie ein letztes Mal einen rosafarbenen Hauch, der durch das offene Fenster neben Gwyn fiel und den Saal in ein Licht tauchte, das sie an verblühende Rosen erinnerte. Und an Blut, das sich mit Wasser mischte.
    Gwyn schenkte noch mehr Wein in ihren Kelch und dachte verdrießlich darüber nach, wie sie in diesem Moment daran Gefallen finden konnte, so blutrünstige Beschreibungen für einen Sonnenuntergang zu ersinnen.
    Vielleicht führte die Tatsache, dass sie vor nicht einmal zwei Wochen ihren geliebten Vater verloren hatte, zu einem so unlogischen Verhalten, dachte sie erschöpft.
    Aber wenn dann auch noch die eigene Burg belagert wurde, konnten solche Gedanken durchaus aufkommen. Selbst wenn man auf dem Fest des Königs weilte, 250 sichere Meilen von dieser Burg entfernt. Und doch brach es ihr schier das Herz.
    Sie hätte es wissen müssen.
    Marcus fitzMiles, Lord d'Endshire, hatte die Woche nach dem Tod ihres Vaters genutzt, sie mit seiner Aufmerksamkeit und Fürsorge zu überschütten wie ein Almosenier. Schon da hätte sie ahnen müssen, dass etwas Schreckliches auf sie zukam. Marcus fitzMiles war der nächste Nachbar und Verbündete ihres Vaters. Er war aber auch der habgierigste Baron in König Stephens vom Krieg gebeutelten Reich und fraß die kleinen Lehen auf wie Pinienkerne. Und bis Gwyn am Vorabend in

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