Die Verfuehrung Des Ritters
ihn anschaute.
»Und was ...« Sie stockte. »Was sollst du mit dem Schatz jetzt machen?«
Er lächelte. »Ich glaube, ich bin dazu bestimmt, ihn wegzugeben.«
Ihre Hand sank herab. »Aber was ist mit den Karten? Sind das keine ...
Schatzkarten?«
»Einige schon. Ich soll die Schätze zurückgeben.«
Sie starrte ihn an. »Wem?«
»Der Welt.«
Gwyn nickte schwach. »Ich verstehe. Oder nein, eigentlich verstehe ich es nicht.
Wann sollst du diese Schätze zurückgeben?« Sie rieb sich die Stirn. »Wo? Und warum ? Ich verstehe es einfach nicht.«
Griffyns Gesicht wurde vom flackernden Licht beschienen. »Der Nachfolger Karls des Großen muss Wiedergutmachung leisten«, sagte er einfach. »Obwohl ich mir nie hätte vorstellen können, dass meine Aufgabe so aussehen würde.«
Sie schaute auf die alten Schätze. »Alles ist so wunderschön«, murmelte sie. »Und deine Bürde.«
Er schüttelte den Kopf. »Jetzt nicht mehr. Nicht, wenn ich sie weggebe.«
Gwyn schloss kurz die Augen. »Und wann gibst du sie weg?«
»Ich weiß es nicht. Zur rechten Zeit, am rechten Ort. Ich werde noch mehr lesen und noch mehr lernen müssen. Wenn auch noch nicht jetzt.« Er betrachtete die Schätze, ehe er sich wieder an Gwyn wandte. »Ich denke, nach unseren Kindern werden noch viele weitere Generationen kommen, die als Hüter dienen werden. Aber eines Tages, wenn die richtige Zeit gekommen ist, werden diese Schätze zurückgegeben.«
»Aber woher weißt du das? Wer entscheidet, wann und an wen sie zurückgegeben werden?«
»Das weiß ich nicht. Aber jene, die dann leben werden, werden es wissen. Sollten war zu unseren Lebzeiten darüber entscheiden müssen, werden wir gemeinsam befinden, was zu tun ist.«
Gwyn wich einen Schritt zurück. »Gemeinsam? Nein, Griffyn, das ist nicht meine Aufgabe. Du bist der Hüter.«
»Du warst auch eine Hüterin.« Voller Liebe betrachtete er ihr blasses Gesicht.
»Würdest du mich denn mit dieser Aufgabe allein lassen?«
Tränen traten in ihre Augen. Ihre kalten Finger schlossen sich um seine Hand. »Und wenn die ganze Welt sich uns entgegenstellt, ich würde dir selbst dann nicht von der Seite weichen«, flüsterte sie. »Jedenfalls nicht, solange du mich an deiner Seite haben willst.«
Er schloss sie in seine Arme und zog sie an sich. Sie war ein so aufrechter Mensch, so stark und redlich, dass es ihm den Atem raubte. Griffyn wusste, dass sie für ihn der größte Schatz von allen war.
Er beugte sich zu ihr herunter. »Du wirst immer an meiner Seite sein, Guinevere.
Stellte man mich vor die Wahl zwischen dir und einer Königin, ich würde dich wählen. Wenn man mir
verspräche, nie mehr Schmerz empfinden zu müssen, würde ich mich für dich entscheiden. Ließe man mich wählen, mir in dieser Welt das zu nehmen, was ich am meisten will, so würde ich mir nur wünschen, mit dir zusammen zu sein. Du bist für mich das Wichtigste auf dieser Welt, Gwyn. Du bist mein Leben.«
SCHLUSSBEMERKUNG
Es gab tatsächlich einen Prinzen Eustace. Er war der älteste Sohn König Stephens.
Wenn man den Chronisten seiner Zeit glaubt, war er ein brutaler Mann. Als er erkannte, dass er nie König werden würde, ließ er seinem Zorn freien Lauf. Mit seinem Gefolge machte er sich einen Spaß daraus, wochenlang mordend und plündernd durch das Land zu ziehen. Dabei verwüstete er auch ein Kloster, das dem Heiligen Edmund gewidmet war, der für seine Humorlosigkeit ebenso bekannt war wie für seinen unerbittlichen Zorn.
Dieser Zorn scheint Eustace getroffen zu haben, denn er starb, einige Tage nach dem Überfall auf das Kloster, am 17. August 1153 nach dem Genuss eines Fischgerichts.
Vielleicht hatte sich die reichhaltige Mahlzeit aber auch mit seiner erbitterten Wut vermischt und ihn vergiftet. Es war vielleicht das passende Ende für einen Mann, der, wenngleich aus anderen Gründen, einen ebenso erbärmlichen König abgegeben hätte wie sein auf Ritterlichkeit bedachter Vater.
Dennoch habe ich mich immer gefragt, welchen Lauf die Geschichte wohl genommen hätte, wäre Eustace nicht an jenem heißen Augusttag gestorben. Wenn die Menschen nur geglaubt hätten, dass er tot sei? Wenn man jemandem aufgetragen hätte, sich um ihn zu kümmern, während das Königreich um ihn zerbrach?
Was die Verlobung betrifft... Wenn zwei Menschen sich das Versprechen gaben zu heiraten (»Ich werde dich zur Frau nehmen« statt »ich nehme dich zur Frau«), die Ehe aber bereits nach Ablegen dieses Schwures vollzogen wurde,
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