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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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lassen?«, fragte Wilson.
    Der Soldat trat einen Schritt zurück. »Wir Peruaner sind gläubige Menschen, Señor. Wenn das Oberhaupt der Kirche eine Angelegenheit in die eigenen Hände nimmt, wie es hier passiert ist, haben wir keine Wahl, sondern müssen die Entscheidung akzeptieren.«

3.
    C USCO , P ERU P LAZA DE A RMAS O RTSZEIT : 10.40 U HR 16. J ANUAR 1908
    Seit zwei Stunden stand Aclla im schwarzen Kapuzenponcho in der feindseligen Menschenmenge und hielt sich unbequem nach vorn gebeugt. Viele von den Bauern um sie herum sprachen Bibelverse vor sich hin oder beteten, andere standen bloß wie benommen im strömenden Regen. Die meisten allerdings waren aufgebracht über den Tod von Monseñor Pera und beschimpften den Toten am Kreuz. Es schien, als könnte jeden Moment ein Aufstand losbrechen, was angesichts der furchtbaren Strafe, mit der Corsell Santillana gebüßt hatte, überraschte. Die Menge schrie immer weiter nach Rache, und viele waren schon heiser davon.
    Aclla war Zeugin einer außergewöhnlichen Situation, einer Form böser Besessenheit, und sie fürchtete, dass ihre Schwester inzwischen ebenfalls tot war. Unter der Kapuze hervor blickte sie verstohlen zu dem Gesicht des Toten hinauf. Das Schicksal hatte Corsell und Vivane zusammengebracht, allen Widrigkeiten zum Trotz. Der junge Soldat und die junge Frau, die von der heiligsten Inka-Sippe abstammte, hätten sich nie begegnen sollen und hatten es dennoch getan. Wie Aclla befürchtet hatte, waren die Götter in Zorn geraten und hatten den höchsten Preis gefordert. Corsell war auf die erniedrigendste Weise gestorben. Fast zwei Tage lang hatte er mit offenen Wunden an diesem Kreuz gehangen, bis sein junges Herz zu schlagen aufgehört hatte, an dicken Stahlschrauben, die man ihm durch Hände und Füße getrieben hatte.
    Im Schutz der Dunkelheit war Aclla mit ihren Kriegerinnen nach Cusco gelangt, bevor Corsell starb. Sie hatte gehofft, von ihm zu erfahren, wo ihre Schwester war. Doch sie waren zu spät gekommen, und die Soldaten, die die Kathedrale schützten, waren wachsam. So hatte Aclla nur von Ferne zusehen können, wie er starb. Währenddessen war sie zu der Überzeugung gekommen, dass Corsell betäubt worden war, damit er nicht reden konnte – seine schwarze Zunge sprach dafür.
    Über den Verbleib ihrer Schwester wusste sie nur sehr wenig. Vivane und Corsell waren aus einem Dorf bei Pisac entführt worden, doch von wem, war nicht klar. Von der Armee, vermutete sie, aber keiner hatte beobachtet, wie jemand in das befestigte Dorf eingedrungen war oder es verlassen hatte. Es war, als wären Geister mit dem Nachtwind hereingeschwebt und hätten das Paar spurlos verschwinden lassen. Bis Aclla mit ihren Kriegerinnen eingetroffen war, hatte der Sommerregen die Spuren der Entführer auf den Urwaldpfaden weggewaschen.
    Aclla hatte die Steinhütte in den westlichen Bergen, wo Corsell und Vivane gegen jede Konvention beschlossen hatten, eine unselige Verbindung zu leben, mit ihren Kriegerinnen durchsucht. Es hatte Kampfspuren gegeben. Auf der Matratze war Blut gewesen, das eine Spur bis zur Tür zog. Die stabile Tür und die Fensterläden waren gewaltsam aufgebrochen worden, der einzige Stuhl zersplittert. Die Fußspuren am Erdboden der Hütte stammten von kräftigen Männern. Es waren mindestens sechs, höchstens zehn gewesen, die Corsell und Vivane entführt hatten.
    Vivane hatte sich ganz sicher nicht kampflos ergeben. Aclla vermutete, dass das Blut am Boden von einem ihrer Entführer stammte. Vivane war eine ausgezeichnete Kriegerin, und man brauchte ungewöhnliche Fähigkeiten, um sie ohne ernsthafte Verletzungen in seine Gewalt zu bringen.
    Trotz Rückenschmerzen und durchnässter Kleidung blieb Aclla in der Menschenmenge stehen und hielt sich konsequent gebeugt, um ihre auffällige Größe zu verbergen. Wenn sie sich voll aufrichtete, würde sie die Bauern um einen Kopf überragen. Außerdem war es erforderlich, die Kapuze aufzubehalten, da ihre goldene Haut und der muskulöse Körperbau ungewollte Aufmerksamkeit erregen würden. Als Kriegerin hatte sie gelernt, Schmerzen zu ignorieren. Als Oberste der Jungfrauen der Sonne war sie das Beispiel, dem ihre Kriegerinnen folgten. Diese standen ebenfalls in der Menge und warteten auf Acllas Signal.
    Früher oder später würden die Schuldigen, die Corsell getötet hatten, herkommen und ihr Werk betrachten wollen, sagte sich Aclla. Sie musste also warten. Und wenn es so weit war, würde sie alles tun, um

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