Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit
Deck herabgefallen und Dutzende Leichen an der Reling liegen. Wie hungrige Wölfe hatten die Piraten sie immer dichter und dichter umkreist und waren dann längsseits gegangen, ein Schiff an Steuerbord, das andere an Backbord, um das Wrack vollends zu versenken.
In Wirklichkeit war die Seekobold überhaupt nicht schlimm beschädigt gewesen, da Robillard alle Angriffszauber der feindlichen Zauberer abgeblockt hatte. Die kleinen Katapulte der Piraten hatten an den gepanzerten Seiten des stolzen Schoners nur wenig Schaden anrichten können.
Deudermonts Männer, alles brillante Bogenschützen, hatten unbarmherzig zugeschlagen, als die Schiffe in Reichweite gekommen waren, und der Schoner war mit rascher Präzision von Kampfsegeln auf volle Beseglung gewechselt. Der Bug hatte sich regelrecht aus dem Wasser erhoben, als die Seekobold zwischen den überraschten Piraten hindurchgeschossen war.
Robillard hatte einen Schleier der Stille auf die Seeräuberschiffe gelegt, der ihre Zauberer daran gehindert hatte, irgendwelche Schutzzauber zu wirken, und dann in rascher Folge drei Feuerbälle geschleudert, einen auf jedes Schiff und den letzten zwischen sie. Anschließend erfolgte der normale Beschuss durch die Ballista und das Katapult, mit dem die Schützen der Seekobold schwere Eisenketten geschleudert hatten, um Segel und Takelage zu zerstören, sowie Pechkugeln, um die ausbrechenden Flammen anzufachen.
Mastlos und hilflos im Wasser treibend gingen die beiden brennenden Piratenschiffe kurz darauf unter. Die Feuersbrünste waren so heftig gewesen, dass Deudermont und seine Leute nur wenige Überlebende aus dem kalten Wasser fischen konnten. Allerdings war auch die Seekobold nicht unbeschädigt davongekommen. Sie wurde jetzt nur noch von einem Segel angetrieben. Gefährlicher war jedoch, dass sie knapp oberhalb der Wasserlinie einen ziemlich großen Riss aufwies. Deudermont hatte fast ein Drittel seiner Mannschaft dazu abstellen müssen, eindringendes Wasser abzupumpen, was der Grund war, warum er den nächsten Hafen ansteuerte – Luskan.
Deudermont hielt dies für eine wirklich gute Wahl. Er zog Luskan dem bedeutend größeren Hafen von Tiefwasser vor, denn auch wenn sein Schiff von der südlicheren Stadt finanziert worden war und er dort bei jedem Magistrat der Stadt einen Platz an dessen Tafel finden konnte, so war Luskan doch seinen Mannschaftsmitgliedern gegenüber gastfreundlicher. Hier wurden die einfachen Seeleute, die nicht über Manieren verfügten, um an den Tischen des Adels Platz zu nehmen, herzlicher aufgenommen. Luskan hatte, ebenso wie Tiefwasser, seine festen Bevölkerungsklassen, aber die untersten Sprossen auf der sozialen Leiter von Luskan befanden sich immer noch ein paar Stufen über dem Fußende von Tiefwasser.
Von jedem Pier klangen Willkommensrufe herüber, als sie sich der Stadt näherten, denn die Seekobold war hier gut bekannt und hoch respektiert. Die ehrlichen Fischer und Handelssegler von Luskan, ja von der gesamten nördlichen Schwertküste, schätzten seit langer Zeit die Arbeit von Kapitän Deudermont und seinem schnellen Schoner.
»Eine gute Wahl, denke ich«, sagte der Kapitän.
»In Tiefwasser gibt es besseres Essen, bessere Frauen und bessere Unterhaltung«, erwiderte Robillard.
»Aber keine besseren Zauberer«, konnte Deudermont sich nicht verkneifen zu sagen. »Der Turm gehört mit Sicherheit zu den angesehensten Magiergilden in den Reichen.«
Robillard stöhnte und murmelte ein paar Flüche, während er davonging.
Deudermont schaute ihm nicht nach, aber er konnte das betonte Stampfen der Stiefel des Zauberers nicht überhören.
»Dann nur eine schnelle Nummer«, bettelte die Frau schmeichelnd, während sie mit der Hand durch ihr schmutziges blondes Haar fuhr und eine schmollende Pose einnahm. »Nur kurz, um mich für einen Abend an den Tischen zu entspannen.«
Der riesige Barbar fuhr sich mit der Zunge über die Zähne, denn sein Mund fühlte sich an, als sei er voller schmutziger Watte. Nachdem er den Abend über in der Taverne »Zum Entermesser« gearbeitet hatte, war er wie immer mit Morik an die Piers zurückgekehrt, um die Nacht hindurch heftig zu trinken. Wie üblich waren die beiden bis nach Sonnenaufgang dort geblieben, bevor Wulfgar zurück ins ›Entermesser‹ gewankt war, das sein Zuhause und seine Arbeitsstelle darstellte, und direkt ins Bett fiel.
Aber diese Frau, Delly Curtie, ein Schankmädchen in der Taverne und seit ein paar Monaten seine Geliebte, war zu
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