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Die Verlorene Ehre der Katerina Blum

Die Verlorene Ehre der Katerina Blum

Titel: Die Verlorene Ehre der Katerina Blum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Stufen interessanter sei der Vater der Woltersheim, ein gewisser Lumm, ebenfalls Arbeiter, außerdem Mitglied der damaligen KPD, der 1932 in die Sowjet-Union emigriert und dort angeblich verschollen sei. Er, Beizmenne, nehme an, auf den Vermißtenlisten der Deutschen Wehrmacht sei diese Art von Verschollenen nicht zu finden.

49.
    Da man nicht sicher sein kann, dass bestimmte, relativ deutliche Hinweise auf Handlungs- und Tatzusammenhänge nicht doch möglicherweise als bloße Andeutungen verlorengehen oder missverstanden werden, sollte man hier doch noch einen Hinweis gestatten: Die ZEITUNG, die ja durch ihren Reporter Tötges den zweifellos verfrühten Tod von Katharinas Mutter verursachte, stellte nun in der SONN-TAGSZEITUNG Katharina als am Tode ihrer Mutter schuldig dar und bezichtigte sie außerdem – eben nur mehr oder weniger offen – des Diebstahls an Sträubleders Schlüssel zu dessen Zweitvilla! Das sollte doch noch einmal hervorgehoben werden, denn man kann da nie sicher sein. Auch nicht ganz sicher, ob man alle Verleumdungen, Lügen, Verdrehungen der ZEITUNG richtig kapiert.
    Es sei hier am Beispiel Blorna dargestellt. wie die ZEITUNG sogar auf relativ rationale Menschen wirken konnte. In dem Villenvorort, in dem Blornas wohnten, wurde natürlich die SONNTAGSZEITUNG nicht verkauft. Dort las man Edleres. So kam es, dass Blorna, der glaubte, es sei ja nun alles vorbei, und der nur ein wenig bange auf Katharinas Gespräch mit Tötges wartete, erst am Mittag, als er bei Frau Woltersheim anrief, von dem Artikel in der SONNTAGSZEITUNG erfuhr. Die Woltersheim ihrerseits hatte es als selbstverständlich angesehen. dass Blorna die SONNTAGSZEITUNG schon gelesen habe. Nun hat man doch hoffentlich begriffen, dass Blorna ein zwar herzlicher, ehrlich um Katharina besorgter, aber auch ein nüchterner Mensch war. Als er sich nun von Frau Woltersheim die entsprechenden Passagen aus der SONN-TAGSZEITUNG am Telefon vorlesen ließ, traute er – wie man das so nennt – seinen Sinnen nicht (in diesem Fall nur einem Sinn: dem Gehör); er ließ sich das noch einmal vorlesen, musste es dann wohl glauben, und – so nennt man es wohl – es platzte ihm der Kragen. Er schrie, brüllte. suchte in der Küche nach einer leeren Flasche, fand eine, rannte damit in die Garage, wo er zum Glück von seiner Frau gestellt und daran gehindert wurde, regelrechte Molotow-Cocktails zu basteln, die er in die Redaktion der ZEITUNG und in Sträubleders “Erstvilla” werfen wollte. Man muss sich das vor Augen führen: ein akademisch gebildeter Mensch von zweiundvierzig Jahren. der seit sieben Jahren Lüdings Achtung, Sträubleders Respekt wegen seiner nüchternen und klaren Verhandlungsführung hatte – und das international, sowohl in Brasilien wie in Saudi-Arabien wie in Nordirland -, also es handelte sich keineswegs um einen provinziellen, sondern um einen durch und durch weitläufigen Menschen, der wollte Molotow-Cocktails basteln!
    Frau Borna erklärte das kurzerhand als spontan-kleinbürgerlich-romantischen Anarchismus, besprach ihn regelrecht, so wie man eine kranke oder wunde Körperstelle bespricht, griff selbst zum Telefon, ließ sich von Frau Woltersheim die entsprechenden Passagen vorlesen, und es muss hier gesagt werden: sie wurde ziemlich blass, sogar sie, und sie tat etwas, das vielleicht schlimmer war, als Molotow-Cocktails je sein können, sie griff zum Telefon, rief Lüding an (der um diese Zeit gerade über seinen Erdbeeren mit Sahne und Vanilleeis saß) und sagte einfach zu ihm: “Sie Schwein, Sie elendes Ferkel.” Sie nannte zwar ihren Namen nicht, doch man kann voraussetzen, dass alle Bekannten von Blorna die Stimme seiner Frau, die um ihrer treffenden und scharfen Bemerkungen willen berüchtigt war, kannten. Das wiederum ging ihrem Mann zu weit, der glaubte, sie habe mit Sträubleder telefoniert. Nun, es kam da noch zu verschiedenen Krächen, selbst zwischen Blornas, zwischen Blornas und anderen, aber da dabei niemand umgebracht wurde, soll man gestatten, dass darüber hinweggegangen wird. Diese an sich unwichtigen, wenn auch beabsichtigten Folgen der SONN-TAGSZEITUNG werden hier nur erwähnt, damit man weiß, wie sogar gebildete und etablierte Menschen empört waren und Gewalttaten gröbster Art erwogen.
    Erwiesen ist, dass Katharina um diese Zeit – so gegen zwölf Uhr nachdem sie sich eineinhalb Stunden unerkannt dort aufgehalten und wahrscheinlich Informationen über Tötges gesammelt hatte, das

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