Die Verlorene Ehre der Katerina Blum
Journalistenlokal “Zur Goldente” verlassen hatte und in ihrer Wohnung auf Tötges, der etwa eine Viertelstunde später eintraf, wartete. Über das “Interview” braucht ja wohl nichts mehr gesagt zu werden. Man weiß, wie das ausging.
50.
Um die überraschende, alle Beteiligten überraschende Auskunft des Pfarrers von Gemmelsbroich, Katharinas Vater sei ein verkappter Kommunist gewesen, auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen, fuhr Blorna für einen Tag in dieses Dorf. Zunächst: der Pfarrer bekräftigte seine Aussage, gab zu, dass die ZEITUNG ihn wörtlich und richtig zitiert habe, Beweise für seine Behauptung könnte er keine bringen, wollte er auch nicht, sagte sogar, die brauche er nicht, er könne sich auf seinen Geruchssinn immer noch verlassen, und er habe einfach gerochen, dass Blum ein Kommunist sei. Definieren wollte er seinen Geruchssinn nicht, war auch nicht sehr hilfsbereit, als Blorna ihn bat, ihm doch zu erklären, wenn er schon seinen Geruchssinn nicht definieren könne, wie denn nun der Geruch eines Kommunisten sei, sozusagen, wie ein Kommunist denn rieche, und hier nun – es muss leider gesagt werden – wurde der Pfarrer ziemlich unhöflich, fragte Blorna, ob dieser katholisch sei, und als jener das bejahte, verwies ihn der Pfarrer auf seine Gehorsamspflicht, was Blorna nicht verstand. Natürlich hatte er von da an Schwierigkeiten bei den Recherchen über die Blums, die nicht sonderlich beliebt gewesen zu sein schienen; er hörte Schlimmes über Katharinas verstorbene Mutter, die tatsächlich einmal in Gesellschaft des inzwischen entlassenen Küsters eine Flasche Messwein in der Sakristei geleert hatte, hörte Schlimmes über Katharinas Bruder, der eine regelrechte Plage gewesen sei, aber das einzige, den Kommunismus von Katharinas Vater belegende Zitat war eine von jenem im Jahre 1949 in einer der sieben Kneipen des Dorfes dem Bauern Scheumel gegenüber getane Äußerung, die gelautet haben sollte: “Der Sozialismus ist gar nicht das Schlechteste.” Mehr war nicht herauszukriegen. Das einzige, was Blorna erntete, war, dass er am Ende seiner missglückten Recherchen im Dorf selbst als Kommunist nicht gerade beschimpft, aber bezeichnet wurde, und zwar, was ihn besonders schmerzlich überraschte, durch eine Dame, die ihm bis dato eine gewisse Hilfe, fast sogar Sympathie entgegengebracht hatte: die pensionierte Lehrerin Elma Zubringer, die ihn, als er sich von ihr verabschiedete, spöttisch anlächelte, ihm sogar zuzwinkerte und sagte: “Warum geben Sie nicht zu, dass Sie selbst einer von denen sind – und Ihre Frau erst recht.”
51.
Es kann hier leider die eine oder andere Gewalttätigkeit nicht verschwiegen werden, die sich ergab, während Blorna sich auf den Prozess gegen Katharina vorbereitete. Den größten Fehler beging er, als er auf Katharinas Bitten auch die Verteidigung Göttens übernahm und immer wieder versuchte, für die beiden gegenseitige Besuchserlaubnis zu erwirken, da er darauf bestand, sie seien verlobt. Es habe eben an jenem fraglichen Abend des zwanzigsten Februar und in der darauffolgenden Nacht die Verlobung stattgefunden. Etc. etc. Man kann sich ausmalen, was die ZEITUNG alles über ihn, über Götten, über Katharina, über Frau Blorna schrieb. Das soll hier nicht alles erwähnt oder zitiert werden. gewisse Niveauverletzungen oder -verlassungen sollen nur dann vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind, und hier sind sie nicht notwendig, weil man ja inzwischen die ZEITUNG wohl kennt. Es wurde das Gerücht ausgestreut, Blorna wolle sich scheiden lassen, ein Gerücht, an dem nichts, aber auch gar nichts wahr war, das aber dennoch zwischen den Eheleuten ein gewisses Misstrauen säte. Es wurde behauptet, es ginge ihm finanziell dreckig, was schlimm war, weil es zutraf. Tatsächlich hatte er sich ein bisschen übernommen, da er außerdem eine Art Treuhänderschaft über Katharinas Wohnung übernommen hatte, die schwer zu vermieten war und auch nicht zu verkaufen, weil sie als “blutbefleckt” galt. Jedenfalls sank sie im Preis, und Blorna musste gleichzeitig Amortisation, Zinsen etc. in unverminderter Höhe zahlen. Es gab sogar die ersten Anzeichen dafür, dass die “Haftex”, was ihren Wohnkomplex “Elegant am Strom wohnen” betraf, eine Schadensersatzklage gegen Katharina Blum erwog, weil diese den Miet-, Handels- und Gesellschaftswert geschädigt habe. Man sieht: Ärger, ziemlich viel Ärger. Ein Versuch, Frau Blorna aus der Architekturfirma zu entlassen
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