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Die Verlorene Kolonie

Die Verlorene Kolonie

Titel: Die Verlorene Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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hatten. Natürlich würden sie über ihn herfallen, und Abbot würde sich irgendeine Ausrede einfallen lassen, um seinen Erfolg kleinzureden, aber Nr. 1 würde wissen, dass er es geschafft hatte. Und Abbot auch.
    Der Spieß drang durch, nur ein winziges Stück. Nr. 1 spürte, wie die Schuppe nachgab, vielleicht eine einzige Schicht. Der kleine Knirps fühlte etwas, das er noch nie gefühlt hatte: Triumph. Es stieg in ihm auf, unwiderstehlich, unaufhaltsam. Es wurde mehr als ein Gefühl, es verwandelte sich in eine Kraft, die längst vergessene Nervenverbindungen zum Leben erweckte und eine uralte Energie in ihm freisetzte.
    Was hat das zu bedeuten? , fragte sich Nr. 1. Soll ich aufhören? Kann ich aufhören?
    Die Antworten auf diese Fragen lauteten ja und nein. Ja, er sollte aufhören, aber nein, er konnte nicht. Die Kraft floss durch seine Glieder, und seine Temperatur stieg. Er hörte Stimmen in seinem Kopf, die sangen. Dann bemerkte er, dass er mit ihnen sang. Was waren das für Gesänge? Nr. 1 hatte keine Ahnung, aber sein Gedächtnis schien sie zu kennen.
    Die seltsame Kraft pulsierte in seinen Fingern, im gleichen Rhythmus wie sein Herzschlag, dann floss sie aus seinem Körper heraus in den Spieß. Und das Holz wurde zu Stein, direkt vor seinen Augen. Wie eine Welle breitete sich das Versteinerungsvirus über den Schaft aus. In Funkenschnelle bestand der gesamte Spieß aus Granit. Er erweiterte kaum merklich das winzige Loch in Abbots Schuppenpanzer.
    Mit einem Knacken riss die Schuppe mehrere Zentimeter weit auf. Abbot hörte es, und alle anderen hörten es auch. Der Rudelführer der Dämonen blickte nach unten und begriff sofort, was los war.
    »Magie«, zischte er. Das Wort war heraus, bevor er sich bremsen konnte. Mit einer abrupten Handbewegung fegte er den Spieß von seiner Brust und ins Feuer.
    Nr. 1 starrte auf seine pulsierende Hand. Um die Fingerspitzen schimmerte immer noch ein winziges Energiefeld, strahlte Wärme ab. »Magie?«, wiederholte er. »Das bedeutet, ich bin ein -«
    »Halt deine dämliche Klappe«, fauchte Abbot und bedeckte die gesprungene Schuppe mit seinem Umhang. »Natürlich meinte ich keine echte Magie. Ich meine Trickserei. Du werkelst mit dem Schaft von dem Spieß herum, bis er knackt, und dann spielst du dich auf, als hättest du was zustande gebracht.«
    Nr. 1 zupfte an Abbots Umhang. »Aber Ihre Schuppe?«
    Abbot zog den Umhang fester um sich. »Was ist damit? Da ist kein Kratzer, nicht mal ein Fleck. Das wirst du mir doch wohl glauben, oder?«
    Nr. 1 seufzte. Das war typisch Leon Abbot: Die Wahrheit zählte nicht. »Ja, Master Abbot, ich glaube Ihnen.«
    »Ich höre an deinem frechen Ton, dass du mir keineswegs glaubst. Gut, dann beweise ich es eben.« Abbot riss seinen Umhang auf, und die Schuppe war in der Tat unversehrt. Einen Moment lang meinte Nr. 1, einen blauen Funken über der Stelle zu sehen, an der definitiv ein Riss gewesen war, doch dann erlosch der Funke. Ein blauer Funke - war es möglich, dass Abbot Magie besaß?
    Abbot bohrte dem Knirps seinen Zeigefinger in die Brust. »Mr. Rawley hat mir erzählt, dass er bereits mit dir über dieses Thema gesprochen hat, Nr. 1. Ich weiß, du glaubst, du wärst ein Zauberer. Aber es gibt keine Zauberer mehr, jedenfalls nicht, seitdem wir aus der Zeit gelöst wurden. Du bist kein Zauberer. Vergiss den Quatsch und konzentrier dich auf deinen Krampf. Du bist eine Schande für dein ganzes Volk.«
    Nr. 1 wollte gerade einen Widerspruch riskieren, als ihn jemand grob am Arm packte.
    »Du hinterhältige kleine Schlange«, brüllte Rawley, dass Nr. 1 der Speichel ins Gesicht spritzte. »Versuchst, den Rudelführer auszutricksen. Setz dich sofort wieder hin. Um dich kümmere ich mich später.«
    Nr. 1 blieb nichts anderes übrig, als an seinen Platz zurückzukehren und die Beleidigungen seiner Klassenkameraden über sich ergehen zu lassen. Und davon gab es jede Menge, meist begleitet von einem Wurfgeschoss oder einem Knuff. Doch diesmal prallte das alles an Nr. 1 ab. Er starrte nur hinunter auf seine Hand. Die Hand, die Holz in Stein verwandelt hatte. War es möglich? War er tatsächlich ein Zauberer? Und wenn es wahr wäre, würde es ihm dann besser gehen oder schlechter?
    Ein Zahnstocher prallte von seiner Stirn ab und fiel auf den Tisch. An der Spitze hing ein Fetzchen graues Fleisch. Als Nr. 1 aufblickte, stand Rawley grinsend vor ihm.
    »Hab seit Wochen versucht, das Zeug rauszukriegen. Wildschwein, glaube ich. Und jetzt spitz

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