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Die Verlorene Kolonie

Die Verlorene Kolonie

Titel: Die Verlorene Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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Kopf ab«, sagte Nr. 1 versuchsweise, aber es klang wenig überzeugend. Warum auch? , fragte er sich. Ich kenne die Menschenwesen doch nicht einmal.
    Die Knirpse kletterten auf ihre Tische und hüpften in primitivem Rhythmus auf und ab.
    »Kopf ab! Kopf ab! Kopf ab!«
    Abbot und Rawley feuerten sie an, zeigten ihnen die Krallen und heulten. Ein widerlich süßer Geruch breitete sich aus. Krampfschleim. Jemand trat in die Krampfphase ein, ausgelöst durch die allgemeine Erregung.
    Nr. 1 fühlte gar nichts. Nicht einmal ein Ziepen. Er gab sich redlich Mühe, kniff die Augen zu, ließ den Druck in seinem Kopf ansteigen und versuchte, blutrünstig zu sein. Doch seine wahren Gefühle löschten die künstlichen Bilder von Blut und Gewalt aus.
    Es hat keinen Zweck , seufzte er bei sich. Ich bin einfach nicht wie die anderen Dämonen.
    Nr. 1 hörte mit den Schlachtrufen auf, setzte sich und ließ den Kopf in die Hände sinken. Es hatte keinen Zweck, so zu tun als ob - auch dieser Krampf würde ohne ihn stattfinden.
    Doch die anderen Knirpse waren voll in ihrem Element. Abbots Auftritt hatte eine wahre Flut von Blutdurst, Testosteron und Schleim ausgelöst. Einer nach dem anderen wurde vom Krampf gepackt. Grüner Schleim trat ihnen aus den Poren, erst langsam, dann quoll er blubbernd hervor. Alle gingen zu Boden, jeder Einzelne von ihnen. Das war bestimmt ein Rekord, so viele Knirpse, die gleichzeitig krampften. Natürlich würde Abbot sich das als Verdienst anrechnen.
    Der Anblick des Schleims löste erneutes Geheul aus. Und je mehr die Knirpse heulten, desto üppiger floss der Schleim. Nr. 1 hatte gehört, dass Menschenwesen mehrere Jahre brauchten, um vom Kind zum Erwachsenen zu werden. Knirpse brachten das in ein paar Stunden hinter sich. Und so eine Verwandlung tat weh.
    Aus den Jubelrufen wurde gequältes Stöhnen, als Knochen sich dehnten, gewundene Hörner austraten und schleimbedeckte Glieder länger wurden. Der süßliche Gestank wurde so stark, dass es Nr. 1 würgte.
    Überall wanden sich Knirpse in Zuckungen, dann wurden sie von den eigenen Körperflüssigkeiten quasi mumifiziert. Der Schleim verhärtete sich und umschloss sie wie ein riesiger, grüner Kokon. Plötzlich herrschte im Klassenzimmer Stille, abgesehen vom Knacken des trocknenden Nährschleims und dem Knistern des Feuers im Kamin.
    Abbot strahlte von einem stachelbewehrten Ohr zum anderen. »Gute Arbeit, was, Rawley? Ich habe sie alle zum Krämpfen gebracht.«
    Rawley grunzte zustimmend, dann bemerkte er Nr. 1. »Außer dem Weichei.«
    »Na ja, logisch«, begann Abbot, fing sich aber sofort wieder. »Ja, stimmt. Außer dem Weichei.«
    Nr. 1 duckte sich unter den bohrenden Blicken von Rawley und Abbot.
    »Ich will ja krampfen«, sagte er, ohne aufzusehen. »Wirklich. Aber das mit dem Hassen kriege ich einfach nicht hin. Und dann dieser eklige Schleim. Allein bei dem Gedanken, das Zeug überall am Körper zu haben, wird mir blümerant.«
    »Was?«, fragte Rawley misstrauisch.
    Nr. 1 begriff, dass sein Lehrer ihm nicht folgen konnte. »Übel. Mir wird übel.«
    »Oh.« Rawley schüttelte abschätzig den Kopf. »Von Schleim wird dir übel? Was bist denn du für ein Knirps? Die anderen sind ganz verrückt danach.«
    Nr. 1 holte tief Luft, dann sprach er laut aus, was er schon seit Langem ahnte. »Ich bin nicht wie die anderen.« Seine Stimme zitterte. Er war kurz davor, in Tränen auszubrechen.
    »Fängst du jetzt etwa an zu heulen?«, fragte Rawley fassungslos. »Das ist zu viel, Leon. Der Kerl flennt wie ein Weib. Ich geb's auf.«
    Abbot kratzte sich am Kinn. »Ich probier mal was.«
    Er kramte in einer Tasche seines Umhangs und schob sich verstohlen etwas über die Hand.
    Oh nein , dachte Nr. 1. Bitte nicht. Nicht Stony.
    Abbot hob den Unterarm und hielt den Umhang mit der anderen Hand davor. Eine Mini-Bühne. Über dem Fellumhang tauchte eine Menschenpuppe auf. Der Kopf war eine groteske Kugel aus bemaltem Lehm, mit klobiger Stirn und derben Zügen. Nr. 1 bezweifelte, dass Menschenwesen im richtigen Leben so hässlich waren, aber Dämonen waren nicht gerade für ihre künstlerischen Fähigkeiten berühmt. Abbot setzte Stony häufig als visuellen Anreiz für die Knirpse ein, die Schwierigkeiten mit ihrem Krampf hatten. Wie sich jeder leicht denken kann, hatte Nr. 1 bereits Bekanntschaft mit der Puppe gemacht.
    »Grrr«, sagte die Puppe, beziehungsweise Abbot sagte es, während er die Puppe hin und her schwenkte. »Grrr, ich bin Stony, der

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