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Die Verlorene Kolonie

Die Verlorene Kolonie

Titel: Die Verlorene Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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verlassen. Gleich nachdem der Krampf durchgestanden war, bekamen sie ein eigenes Zimmer, und dann durften sie auf Hybras tun und lassen, was sie wollten.
    »Wem hassen wir?«, brüllte einer.
    »Die Menschen!«, ertönte die Antwort.
    Dann heulten sie ungefähr eine Minute lang die Decke an. Knirps Nr. 1 machte mit, doch überzeugend fühlte es sich nicht gerade an. Es heißt nicht »wem hassen wir« , dachte er bei sich. Es heißt »wen«.
    Aber jetzt war wohl nicht der passende Moment, um das richtigzustellen.
     
     
    Knirpsschule.
     
    Manchmal wünschte Nr. 1, er wüsste, wer seine Mutter war. Doch da das kein sehr dämonenhafter Wunsch war, behielt er ihn für sich. Alle Dämonen waren einander gleichgestellt, und was sie aus sich machten, hing allein von ihren Krallen und Zähnen ab. Sobald das Weibchen ein Ei legte, wurde es zum Reifen in einen Eimer mit mineralienreichem Schlamm getan. So wussten die Knirpse nie, zu welcher Familie sie gehörten, und deshalb waren sie alle eine große Familie.
    Nur manchmal, wenn seine Selbstachtung arg angeschlagen war, warf Nr. 1 auf dem Weg zur Schule einen wehmütigen Blick zum Lager der Frauen und fragte sich, welche von ihnen wohl seine Mutter war.
    Es gab da eine Dämonin mit roten Runen, genau wie seine, und einem netten Gesicht. Oft lächelte sie ihm über die Mauer hinweg zu. Sie sucht bestimmt nach ihrem Sohn, schoss es Nr. 1 irgendwann durch den Kopf. Und von dem Tag an lächelte er zurück. Sie konnten ja beide so tun, als ob sie einander gefunden hätten.
    Nr. 1 hatte noch nie ein Gefühl der Zusammengehörigkeit verspürt. Er sehnte sich nach der Zeit, wenn er aufwachen und sich auf das freuen würde, was vor ihm lag. Doch der Tag war noch nicht gekommen und würde es vermutlich auch nie, jedenfalls nicht, solange sie im Zeitenmeer lebten. Nichts würde sich ändern. Nichts konnte sich ändern. Nein, das stimmte nicht ganz: Es konnte schließlich noch schlimmer werden.
    Die Knirpsschule war ein niedriges Steingebäude, in dem es kaum Luft und noch weniger Licht gab - also für die meisten Knirpse genau das Richtige. Der Mief und das ständig qualmende Feuer gaben ihnen das Gefühl, schlecht behandelt zu werden, und das weckte ihre Kampflust.
    Nr. 1 sehnte sich nach Licht und frischer Luft. Er war auf einzigartige Weise anders, ein nagelneuer Punkt auf dem Kompass. Oder vielleicht auch ein alter. Nr. 1 überlegte oft, ob er nicht ein Zauberer war. Gut, seit sie aus der Zeit gelöst worden waren, hatte es im ganzen Dämonenrudel keinen Zauberer mehr gegeben, aber vielleicht war er der erste, und vielleicht war das der Grund, weshalb er in so vielen Dingen anders empfand. Nr. 1 hatte es gewagt, seinem Lehrer Mr. Rawley gegenüber diese Theorie zu erwähnen, doch der hatte ihm nur eine Ohrfeige verpasst und ihn zur Strafe Maden für die anderen ausgraben lassen.
    Das war noch so ein Punkt. Warum konnten sie nie was Warmes zu essen kriegen? Was wäre so schlimm an einem Eintopf? Mit ein paar Gewürzen? Was fanden die Knirpse so toll daran, Essen runterzuschlingen, das sich noch bewegte?
    Wie immer traf Nr. 1 als Letzter in der Schule ein. Die anderen zehn oder zwölf Knirpse waren bereits im Klassenzimmer. Sie konnten es kaum erwarten, endlich wieder jagen, schlachten und häuten zu dürfen - und wer weiß, vielleicht stand ja der Krampf kurz bevor. Nr. 1 hatte da keine große Hoffnung. Vielleicht war heute wirklich sein großer Tag, aber er glaubte nicht daran. Der Krampf wurde durch Blutdurst ausgelöst, und Nr. 1 hatte noch nie auch nur den leisesten Drang verspürt, einem anderen Wesen wehzutun. Er hatte sogar ein schlechtes Gewissen gegenüber den Kaninchen, die er aß, und manchmal träumte er, dass ihre kleinen Geister ihn verfolgten.
    Master Rawley saß an seinem Pult und schärfte ein Krummschwert. Ab und zu hackte er damit ein Stück vom Pult ab und stieß einen zufriedenen Grunzer aus. Auf dem Pult lagen diverse Waffen zum Hacken, Sägen und Schneiden. Und natürlich ein Buch. Eine Ausgabe von Lady Heatherington Smythes Hecke. Das Buch, das Leon Abbot aus der alten Welt mitgebracht hatte. Das Buch, das sie Abbot zufolge alle retten würde.
    Als Rawley die Klinge zu einem funkelnden Halbmond geschärft hatte, schlug er mit dem Griff auf das Pult.
    »Hinsetzen«, brüllte er die Knirpse an. »Und zwar dalli, ihr stinkenden Kaninchenkötel. Ich habe hier ein neues Schwert, das ich nur zu gerne ausprobieren würde.«
    Eilig setzten sich die Knirpse auf ihre

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