Die Verlorene Kolonie
schlimmer als Weichei. Winzknirps nannte man normalerweise die frisch Geschlüpften.
»Nein, nein, natürlich nicht, Master Abbot. Ich dachte nur, dass die Schuppenpanzer von älteren Dämonen vermutlich ein paar Schichten mehr haben. Aber Ihrer ist bestimmt härter - keine abgestorbenen Schuppen an der Innenseite.«
Abbot musterte Nr. 1 aus zusammengekniffenen Schlitzaugen. »Du scheinst dich ja gut mit Schuppen auszukennen. Na los, zeig uns, wie man durch die hier durchkommt.«
Nr. 1 versuchte, das Ganze mit einem Lachen abzutun. »Ach, ich weiß nicht...«
Doch Abbot lächelte nicht. »Keine Widerrede, Weichei. Beweg deinen Stummelschwanz hierher, bevor ich Master Rawley gestatte, das zu tun, was er schon seit Langem tun will.«
Mit einem Ruck zog Rawley sein Schwert aus dem Pult und zwinkerte Nr. 1 zu. Es war kein freundschaftliches Wir-beide-haben-ein-Geheimnis-Zwinkern, sondern ein Mal-schauen-welche-Farbe-deine-Innereien-haben-Zwinkern.
Widerstrebend trottete Nr. 1 nach vorne, wobei er an den glühenden Überresten des nächtlichen Feuers vorbeikam. Aus den Kohlen ragten hölzerne Fleischspieße. Nr. 1 hielt einen Moment inne und betrachtete die scharfen Spieße.
Wenn er nur den Mut hätte... Einer von denen würde wahrscheinlich ausreichen.
Abbot folgte seinem Blick. »Was? Glaubst du vielleicht, ein Fleischspieß würde dir helfen?« Der Dämon schnaubte. »Ich war mal unter glühender Lava begraben, Weichei, und ich stehe immer noch hier. Hol dir ruhig einen. Gib dein Schlimmstes.«
»Gib dein Schlimmstes«, wiederholten mehrere Klassenkameraden von Nr. 1 hämisch.
Zögernd fischte Nr. 1 einen der Holzspieße aus der Glut. Der Griff fühlte sich durchaus solide an, aber die Spitze war verkohlt und brüchig. Nr. 1 klopfte mit dem Spieß gegen sein Bein, um die Asche abzulösen.
Abbot schnappte Nr. 1 den Spieß aus der Hand und hielt ihn hoch. »Das ist also deine Waffe«, sagte er spöttisch. »Unser Weichei glaubt wohl, er wäre auf Kaninchenjagd.«
Das höhnische Gejohle schlug wie eine Woge über dem gequält dreinschauenden Nr. 1 zusammen. Er spürte, wie sich eine Migräne in seinem Kopf anbahnte. Die kam mit absoluter Sicherheit, wenn er sie am wenigsten gebrauchen konnte.
»Na ja, ist vielleicht keine so gute Idee«, gab er zu. »Ich sollte wohl besser mit den Fäusten auf Ihren Panzer einschlagen wie die anderen Schwachköpfe... Ich meine, wie meine Klassenkameraden.«
»Nein, nein«, widersprach Abbot und gab ihm den Fleischspieß zurück. »Nur zu, kleine Biene, piks mich mit deinem Stachel.«
Piks mich mit deinem Stachel , quäkte Nr. 1 in einer höchst beleidigenden Imitation des Rudelführers. Natürlich nicht laut. Außer in seinen Gedanken ging Nr. 1 selten auf Konfrontationskurs.
Laut sagte er: »Ich werde mir Mühe geben, Master Abbot.«
»Ich werde mir Mühe geben, Master Abbot«, quäkte Abbot in einer höchst beleidigenden Imitation von Nr. 1, und zwar so laut er konnte.
Nr. 1 spürte, wie ihm der Schweiß über den Stummelschwanz rann. Er hatte sich in eine Sackgasse manövriert. Wenn er scheiterte, erwartete ihn eine erneute Woge aus Spott und Hohngelächter. Und wenn er erfolgreich war, handelte er sich erst recht Ärger ein.
Abbot versetzte ihm eine Kopfnuss. »Na los, Weichei, mach schon. Hier sind Knirpse, die auf ihren Krampf warten.«
Nr. 1 starrte auf die Spitze des Spießes und konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Er legte die rechte Hand flach auf Abbots Brust. Dann schloss er die Finger fest um das Holz und bohrte den Spieß schräg von unten in eine von Abbots Schuppen.
Er drehte die Spitze vorsichtig hin und her. Die Schuppe verfärbte sich leicht gräulich von der Asche, aber er drang nicht durch. Stinkender Rauch stieg von dem Spieß auf.
Abbot kicherte amüsiert. »Versuchst du da Feuer zu machen, Weichei? Soll ich die Feuerwehr rufen?«
Einer der Knirpse warf mit seinem Mittagessen nach Nr. 1. Ein Klumpen aus Fett, Knochen und Knorpel traf ihn am Hinterkopf.
Doch Nr. 1 ließ sich nicht beirren und rollte den Spieß zwischen Daumen und Zeigefinger, immer schneller. Die Spitze hatte Halt gefunden und brannte eine leichte Kuhle in die Schuppe.
Nr. 1 spürte, wie Erregung in ihm aufstieg. Die drohenden Folgen vor Augen, bemühte er sich, sie im Zaum zu halten, aber es gelang ihm nicht. Der Erfolg war zum Greifen nahe. Er war kurz davor, mithilfe seines Hirnschmalzes das zu erreichen, was all die anderen Idioten mit Muskelnschmalz nicht geschafft
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