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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckart Klessmann
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und durchgängig gastfrei behandelt, indem sie den Gefangenen für die Beköstigung nichts abnahmen.«
    Doch galt das nicht überall. Bei der Verlegung von Saratow nach Kamischink an der Wolga waren die 40 Offiziere einem notorisch betrunkenen Führer der Begleiteskorte ausgeliefert, der nicht nur alle ihm gegebenen Befehle des Gouverneurs mißachtete, sondern die Gefangenen mißhandeln ließ und dafür sorgte, daß zu wenige Wagen zur Verfügung standen, weil er die anderen auf eigene Rechnung verkauft hatte. Mit Hilfe deutscher Kolonisten verfaßten die Offiziere eine Beschwerde in russischer, deutscher und französischer Sprache an den Gouverneur in Saratow, die ihm von einem Bürgermeister persönlich überbracht wurde.
    Unterwegs hatte sich Peppler mit einem Leutnant vom 2. Bergischen Infanterie-Regiment, dem siebenundzwanzigjährigen Johann Karl Braun, befreundet. Der besann sich auf sein abgebrochenes Medizinstudium, gab sich als Arzt ausund holte seinen Freund Peppler als Assistenten. Einen Arzt gab es weit und breit nicht, und der Zustrom von Patienten war überwältigend. Vor allem als es den beiden gelang, einen am grauen Star erblindeten Polizeibeamten mit Hilfe einer verrosteten Starnadel aus Arztbesitz das Augenlicht wiederzugeben. Obwohl das einen außerordentlichen Andrang von Augenleidenden zur Folge hatte, traute sich Braun doch keine Wiederholung zu und beschränkte sich in seiner Therapie auf das bewährte Zur-Ader-Lassen und die Zubereitung von Kräutermixturen, da es auch nirgends eine Apotheke gab. Zufrieden konstatiert Peppler, es hätte niemals einen Todesfall gegeben: »Wir kamen und schieden verehrt, geliebt und angestaunt als Meister einer Kunst, von der wir beide im Grunde nichts verstanden.«
    Am 22. Dezember 1813 wurde den gefangenen Offizieren ihre Entlassung mitgeteilt und ihnen zur Bestreitung ihrer Reisekosten je 100 Rubel ausgezahlt. Der Gefangenenführer, der sie so brutal behandelt hatte, war, wie ihnen der Gouverneur von Saratow mitteilte, degradiert und als Sträfling nach Sibirien geschickt worden. So lag es nahe, die Offiziere auch nach dem Verhalten des Kommandanten von Kamischink zu fragen, dem sie zuletzt unterstellt gewesen waren: »Als wir nun, wie dies wohl nicht anders sein konnte, dem trefflichen dortigen Kommandanten alle Gerechtigkeit widerfahren ließen und in Lobeserhebungen ausbrachen, die der edle Mann in jeder Hinsicht verdiente, fand sich der Gouverneur auf das freudigste ergriffen und rief in tiefer Bewegung aus: ›So ist es recht, Menschenliebe ist der Mensch dem Menschen schuldig, dem Freunde wie dem unglücklichen Feinde, das ist der Wille unseres großmütigen Kaisers. Was Sie auch in Rußland Schreckliches erlitten haben mögen, schreiben Sie es nicht auf Rechnung der Regierung, messen Sie es vielmehr der Erbitterung bei, in welche die mutwillige, durch keine frühere Feindseligkeit herbeigeführte, mit Blut, Raub und Zerstörung bezeichnete Invasion in ein ruhiges Land ein Volk versetzte, das,wenn es einmal auf solche Weise angereizt ist, die Schranken gewohnter Ordnung überschreitet und sich zu Verirrungen verleiten läßt, zu denen es sich berechtigt glaubt, weil es in ihnen nur Repressalien der vielen Leiden sieht, die man über das Vaterland verhängt.‹ Wir konnten den Ansichten des Gouverneurs nichts entgegensetzen, allein die Überzeugung blieb uns aus eigener Erfahrung, daß bei dem höchsten Edelmut des Regenten es doch in Rußland mehr wie in andern Ländern von untergeordneten Beamten abhing, dessen weiseste und humanste Anordnung willkürlich zu beseitigen. Gegen einen Gouverneur von Saratow oder Kommandanten von Kamischink und Jerkasky, die uns mit Liebe behandelten, zählten wir vielleicht zehn solcher Beamten, welche der Intention des Monarchen und seinen strengsten Befehlen zum Trotz die Ansichten der rohen Massen teilten und uns in ihren Verirrungen, wie der gute Gouverneur die verübten Unmenschlichkeiten nannte, ungestraft preisgeben ließen.«
    Am 10. Juni 1814 traf Leutnant Friedrich Peppler in Darmstadt ein; da er unterwegs erkrankt war, dauerte es noch einige Wochen, bis er – nach einem Zwischenaufenthalt bei seiner Mutter in Großenlinden – den Dienst in seiner alten Garnison in Gießen wiederaufnehmen konnte.
    Der bayerische Oberstleutnant Friedrich von Furtenbach, dem es am 10. Dezember in Wilna gelungen war, der grausamen Behandlung durch das Platowsche Kosakenkorps zu entkommen, wurde sechs Tage später von 600 Kosaken

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