Die Verlorenen
gefror die Szenerie. Rudge Vandermeere stand in seltsam grotesker Verrenkung neben dem Eimer, noch nicht wieder ganz aufgerichtet, während die La Fores das Sklavenmädchen wie einen urplötzlich aufgetauchten Geist anstarrten, so reglos, als hätten sie sich binnen eines Lidschlages in steinerne Statuen verwandelt.
»Tut ihm nichts mehr.« Semiramis sprach leise, trotzdem konnte Agamemnon sie verstehen.
Nicht verstehen konnte er indes, was er selbst tat.
Er trat vor. Mit dem festen Schritt eines Mannes, den nichts schrecken konnte - nichts mehr, weil er das Schrecklichste schon gesehen hatte.
Die kurze Strecke zu Semiramis legte er wie in Trance zurück; jeden Schritt, den er auf dem Weg zu ihr tat, schien er schon in dem Moment zu vergessen, da er den Fuß zum nächsten hob.
Neben dem Mädchen angelangt, beugte er sich hinab, die La Fores und Vandermeere keines Blickes würdigend. Seine Hand faßte Se-miramis am Arm und zog sie sacht hoch.
»Erniedrige dich nicht«, sagte er leise, aber nicht leise genug, daß die anderen seine Worte nicht gehört hätten.
»Dein Gespiele hat recht«, sagte Jacques La Fore, wieder in jenem ruhigen, fast emotionslosen Tonfall, und wieder ohne sich zu rühren. »Erniedrige dich nicht.«
In einer synchronen Bewegung wandten seine Söhne die Köpfe, und auch Vandermeere starrte unübersehbar verwirrt zu dem Plantagenbesitzer hin.
»Was ...?« setzte Pierre mit dem Vorrecht des ältesten Sohnes an.
Eine knappe Geste seines Vaters schnitt ihm das Wort ab. Agamemnon erinnerte die Handbewegung des alten La Fores auf zutiefst beunruhigende Weise an das herabsausende Fallbeil einer Guillotine .
»Das Erniedrigen übernehmen wir für dich, Niggerin«, fuhr Jacques La Fore tonlos fort. Und an seine Söhne gewandt sagte er: »Bringt sie ins Haus.«
Wie ein Mann traten die jungen Kerle zu Semiramis und packten sie.
»Beide!« La Fores Blick wies auf Agamemnon.
Vandermeere kam hinzu und drehte dem Sklaven beide Arme auf den Rücken. Agamemnon hätte keine Mühe gehabt, den Griff des anderen zu sprengen. Doch Cuffeys Anblick erstickte den Gedanken noch im Keim.
Als Vandermeere ihn hinter den La Fores und Semiramis her auf das säulengesäumte Portal des Hauses zustieß, spürte er im Nacken mehr als nur den stinkenden Atem des Aufsehers.
Bevor sie durch die Tür traten, gelang es Agamemnon, einen Blick über die Schulter zu werfen.
Im Dunkel der Büsche sah er mehr als ein Dutzend Irrlichter zittern. Doch er wußte, worum es sich dabei tatsächlich handelte.
Augenpaare, flackernd vor Angst.
Und doch war die Angst derer, die das Drama von dort aus beobachteten, nicht mehr als ein unsagbar schwaches Echo jener Furcht, die in Agamemnon wucherte.
Denn er hatte das sichere Gefühl, daß ihm das Schrecklichste dieser Nacht noch bevorstand.
* Sie zwangen Agamemnon zum Zusehen.
Wenn er es wagte, den Blick abzuwenden oder auch nur die Augen zu schließen, traf ihn eine harte Faust ins Gesicht, mal die von Vandermeere, mal die eines der La Fore-Burschen - wer gerade nicht mit Semiramis befaßt war, paßte darauf auf, daß der Schwarze auch alles mitbekam.
Jacques La Fore selbst beteiligte sich nicht, hatte nur den Befehl dazu gegeben und dann die Rolle des stummen Beobachters übernommen. Mit keiner Regung verriet er, ob ihn das »Schauspiel« befriedigte oder gar aufwühlte. Stumm und drohend, wie es seine Art war, stand er in der Nähe der Tür des Salons, und etwas Frostiges umhüllte ihn wie eine Aura, deren Ausläufer Agamemnon erreichten und ihn schaudern ließen.
Die anderen taten im Grunde das Gleiche mit Semiramis wie Agamemnon selbst noch vor kaum einer halben Stunde. Und doch war es auf fürchterliche Weise anders - widerlich, ekelerregend, absto-ßend, pervers .
Vor einer halben Stunde . Mem schluchzte lautlos. Es schien ihm hier und jetzt Ewigkeiten her, daß Semiramis und er sich geliebt hatten. Als wäre es in einem anderen Leben gewesen .
Wieder senkten sich seine Lider, ohne sein bewußtes Zutun; als wollte eine wohlmeinende Macht ihm den Anblick dessen, was nun Pierre La Fore dem hübschen Sklavenmädchen antat, ersparen. Und wieder klatschte eine geballte Hand hart in sein von Schweiß und Tränen feuchtes Gesicht, ließ sein rechtes Jochbein schier explodieren.
Mühsam unterdrückte Agamemnon ein Stöhnen.
Semiramis ertrug ihre Qual scheinbar stoisch. Kein Laut kam über ihre mittlerweile aufgeplatzten blutigen Lippen. Der Blick ihrer vorhin noch so herrlich
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