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Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht

Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht

Titel: Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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1. KAPITEL
    Es kam, wie Sol gesagt hatte. Noch im selben Jahr, in dem sie sterben mußte, wurde eine neue kleine Sol geboren. Sie war das zweite Kind von Liv und Dag, und sie wurde nach Silje und Charlotte auf den Namen Cecilie getauft. Obwohl sie der verstorbenen Sol in vielen Dingen glich, hatte sie nichts von der merkwürdigen Gefühlskälte und der tiefen Tragik, die Sol zu eigen gewesen war.
    Aber nicht weit entfernt von diesem Prachtkind wuchs ein bemitleidenswertes Geschöpf auf…
    Eikeby hieß einer der Höfe, die zu Grästensholm gehörten, und er war ein ständiges Problem für den Gutsherrn Dag von Meiden und seine Mutter Charlotte. Beide taten ihr Bestes, daß die Familie auf Eikeby nicht hungern sollte, aber was half das, wo doch der alte Eikeby-Bauer sich anscheinend vorgenommen hatte, dem Gebot der Bibel treuen Gehorsam zu leisten: Seid fruchtbar und mehret euch, füllt die Erde und macht sie euch Untertan. Die jüngsten Kinder konnten kaum laufen, als der älteste Sohn schon heiratete und den Hof übernahm. Dieser Sohn trat in die Fußstapfen seines Vaters, was die Vermehrung der Erdbevölkerung anging, und im Jahr 1607 hatte er fünfzehn Kinder, die sich mit ihren Onkeln und Tanten, kaum älter als sie selbst, um die Futternäpfe balgten.
    Eines dieser fünfzehn Kinder war Yrja, das kleine Geschöpf, das Tengel soviel Sorgen bei der Geburt bereitet hatte, weil sie unbedingt mit dem Po zuerst auf die Welt kommen wollte. Und das war tatsächlich ganz typisch für sie - das meiste von dem, was sie tat, geriet ein wenig verkehrt herum. Yrja ging es nicht sehr gut als Säugling. Die erschöpfte, ausgelaugte Mutter hatte nicht genug Milch für das kleine Wesen. Auch die ersten Jahre als Kleinkind waren hart, denn Yrja gehörte nicht zu denen, die sich einen guten Platz am Mittagstisch erobern konnten. Als Folge davon war der kleine Körper zurückgeblieben, so, als sei er nicht ganz fertig. Yrja hatte das, was später »die englische Krankheit« genannt wurde. Diese Krankheit hatte sie befallen, weil die Mutter einem Krüppel begegnet war, als sie mit Yrja schwanger ging. Daran gab es gar keinen Zweifel. Außerdem war sie im Weg. Der Mutter, die sich schon wieder um noch jüngere Kinder kümmern mußte, war Yrja keine Hilfe, denn sie hatte zu nichts Lust, und alles mißlang ihr.
    Der Vater hatte bestimmte Pflichtarbeiten für Grästensholm zu leisten. Eines Tages bat ihn die Mutter voller Verzweiflung, Yrja dorthin mitzunehmen.
    »Dann habe ich ein Kind weniger zu hüten, wenigstens für diesen einen Tag.«
    Der Bauer schnaubte ärgerlich und verkündete, er könne unmöglich ein Kind mit zur Arbeit nehmen.
    »Dann binde sie an einen Baum, während du arbeitest!« rief die Mutter aus. »Wir müssen heute Großputz machen, und ich kann mich höchstens um die Allerkleinsten kümmern. Und die Älteren müssen mir beim Putzen helfen, die haben auch keine Zeit.«
    Also wurde es so gemacht, Yrja ging mit ihrem Vater. Da war sie sechs Jahre alt. Sie hatte die grobschlächtige Figur ihres Vaters geerbt, was ihren Gesamteindruck nur noch seltsamer erscheinen ließ. Sie sah aus wie eine große, plumpe, verwachsene Distel.
    Die Kinder des Gutsbesitzers, Tarald und Cecilie, und ihre Cousine Sunniva spielten auf Grästensholm, als sie das kleine Mädchen entdeckten, das in der Nähe der Scheune an einen Baum gebunden war. Sie stand dort mit hängendem Kopf und scharrte verlegen mit dem Fuß auf der Erde, während sie ihnen verstohlene Blicke zuwarf. Ihr Gesicht und ihre Körperhaltung verrieten, was sie dachte: Die haben es vielleicht gut! Wie schön müßte es sein, da mitmachen zu können …
    Sie hatte gehört, wie ihre Onkel und Tanten von den Kinderfesten auf Grästensholm sprachen. Daß sie eingeladen worden waren. Aber das war lange her, damals, als Herr Dag noch ein kleiner Junge war.
    Cecilie - obwohl die jüngste der drei Freunde, war sie doch schon die Anführerin - hielt im Spiel inne. »Könnte sie nicht mitspielen, was meint ihr?«
    Die beiden anderen musterten das Mädchen mit kritischen Blicken. Sie bot wahrhaftig keinen schönen Anblick, hochgeschossen, klapperdürr und am ganzen Körper schief gewachsen. Wie eine Zwergkiefer, die auf einer sturmgepeitschten, blanken Klippe wurzelte und zäh genug war, jene Lebenskraft aus den Ritzen zu saugen, die sie befähigte, höher emporzuwachsen als ihre Brüder und Schwestern. Oder eben wie eine Distel.
    »Warum nicht?« sagte Tarald leichthin. »Fragen

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