Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
Wahrscheinlichkeit beschreibt, dass dieses Teilchen mit einer gegebenen Masse und einer gegebenen Lebensdauer aus einer Kollision hervorgehen wird. Jede Messung der Energie ist um den richtigen Wert herum zentriert, und die Verteilung stimmt mit der Lebensdauer und dem Unbestimmtheitsprinzip überein. Obwohl keine einzelne Messung ausreicht, um die Masse zu bestimmen, so reichen doch viele Messungen dafür aus. Ein ganz konkretes Verfahren sagt uns, wie wir die Masse vom Durchschnittswert dieser wiederholten Messungen ableiten. Hinreichend viele Messungen garantieren, dass die Experimentalphysiker die richtige Masse innerhalb eines bestimmten Grades von Präzision und Genauigkeit bestimmen.
Messungen und der LHC
Weder die Nutzung von Wahrscheinlichkeiten zur Präsentation wissenschaftlicher Ergebnisse noch die Wahrscheinlichkeiten, die ein Charakteristikum der Quantenmechanik sind, implizieren, dass wir nichts wissen. Tatsächlich ist es häufig genau umgekehrt. Wir wissen eine ganze Menge. Beispielsweise ist das magnetische Moment des Elektrons eine intrinsische Eigenschaft eines Elektrons, die wir mit der Quantenfeldtheorie äußerst genau berechnen können. Sie verbindet die Quantenmechanik und die spezielle Relativitätstheorie miteinander und ist das Werkzeug, mit dem man die physikalischen Eigenschaften von Elementarteilchen untersucht. Mein Kollege Gerald Gabrielse aus Harvard hat das magnetische Moment des Elektrons mit einer Genauigkeit und Präzision von 13 Stellen berechnet, und bei etwa diesem Grad stimmt er mit der Vorhersage überein. Unsicherheit kommt nur mit weniger als eins zu einer Billion ins Spiel, wodurch das magnetische Moment des Elektrons diejenige Naturkonstante ist, die die genauste Übereinstimmung zwischen theoretischer Vorhersage und Messung aufweist.
Niemand außerhalb der Physik kann eine so genaue Vorhersage über die Welt machen. Aber die meisten Menschen, die eine so präzise Zahl gemessen haben, würden sagen, dass sie die Theorie und die von ihr vorhergesagten Phänomene ganz bestimmt kennen. Während Wissenschaftler in der Lage sind, viel genauere Aussagen als die meisten anderen Menschen zu machen, erkennen sie doch an, dass Messungen und Beobachtungen immer noch Raum für bisher unentdeckte Phänomene und neue Ideen lassen, egal wie präzise sie sind.
Sie können aber auch eine eindeutige Grenze für die Größe dieser neuen Phänomene angeben. Neue Hypothesen könnten zwar die Vorhersagen ändern, aber nur innerhalb des gegenwärtigen Spielraums für die Messunsicherheit oder in noch kleinerem Umfang. Manchmal sind die vorhergesagten neuen Effekte so klein, dass wir nicht hoffen können, ihnen je während der Lebensdauer des Universums zu begegnen – in welchem Fall sogar die Wissenschaftler eine eindeutige Aussage wie »Das wird nie geschehen« machen könnten.
Gabrielses Messung zeigt eindeutig, dass die Quantenfeldtheorie bis zu einem sehr hohen Präzisionsgrad richtig ist. Aber dennoch können wir nicht zuversichtlich behaupten, dass die Quantenfeldtheorie oder die Elementarteilchenphysik oder das Standardmodell alles beschreibt, was es gibt. Wie in Kapitel 1 erklärt wurde, können neue Phänomene, deren Effekte nur auf anderen Energieskalen in Erscheinung treten oder wenn wir noch genauere Messungen machen, dem zugrunde liegen, was wir sehen. Da wir diese Bereiche von Abständen und Energien noch nicht untersucht haben, wissen wir es noch nicht.
LHC-Experimente finden bei höheren Energien statt, als wir je zuvor untersucht haben, und eröffnen deshalb neue Möglichkeiten der Art, dass die Experimente direkt nach neuen Teilchen oder Wechselwirkungen suchen, anstatt nur anhand indirekter Effekte, die nur durch äußerst präzise Messungen identifiziert werden können. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Messungen am LHC nicht hinreichend hohe Energien erreichen, damit Abweichungen von der Quantenfeldtheorie sichtbar werden. Aber sie könnten möglicherweise andere Phänomene enthüllen, die auf Abweichungen von den Vorhersagen des Standardmodells für Messungen mit gegenwärtigen Präzisionsgraden hinweisen würden – sogar im Hinblick auf das sehr präzise gemessene magnetische Moment des Elektrons.
Für jedes gegebene Modell der Physik, das über das Standardmodell hinausgeht, wären irgendwelche vorhergesagten kleinen Diskrepanzen – bei denen der innere Aufbau einer bislang unbekannten Theorie einen sichtbaren Unterschied ausmachen würden – ein
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