Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
für das ECAL verwendet wird, ist ein bestaunenswertes Wunder. Es besteht aus Blei-Wolfram-Kristallen, die man deshalb gewählt hat, weil sie dicht, aber optisch klar sind – genau das, was man für das Anhalten und Feststellen von ankommenden Elektronen und Photonen will. Vielleicht bekommen Sie anhand meines Fotos in Abbildung 36 eine Vorstellung davon. Der Grund, warum sie so faszinierend sind, liegt in ihrer unglaublichen Klarheit. Noch nie haben Sie etwas so Dichtes und so Durchsichtiges gesehen. Ihr Nutzen besteht darin, dass sie elektromagnetische Energie unglaublich genau messen, was sich als entscheidend für das Auffinden des schwer zu fassenden Higgs-Teilchens erweisen könnte, wie wir in Kapitel 16 schildern werden.
Der ATLAS-Detektor verwendet Blei, um Elektronen und Photonen zu stoppen. Wechselwirkungen in diesem absorbierenden Material verwandeln die Energie aus der ursprünglich geladenen Bahn in einen Teilchenschauer, dessen Energie dann festgestellt wird. Flüssiges Argon, ein Edelgas, das mit anderen Elementen chemisch nicht wechselwirkt und sehr resistent gegenüber Strahlung ist, wird dann verwendet, um die Energie des Schauers festzustellen und anschließend die Energie der auftreffenden Teilchen zu ermitteln.
Abb. 36: Foto des Blei-Wolfram-Kristalls, das im Kalorimeter des CMS verwendet wird.
Trotz meiner theoretischen Neigung war ich fasziniert, als ich dieses Detektorelement bei der ATLAS-Anlage auf meinem Rundgang sah. Fabiola war an der bahnbrechenden Entwicklung und an der Konstruktion der neuen Geometrie dieses Kalorimeters beteiligt, das radiale Schichten von akkordeonförmigen Bleiplatten besitzt, die durch dünne Schichten von flüssigem Argon und Elektroden getrennt sind. Sie schilderte, wie diese Geometrie das Auslesen der Elektronik viel schneller macht, da die Elektronik sich viel näher an den Detektorelementen befindet (siehe Abbildung 37).
Abb. 37: Die akkordeonartige Struktur des elektromagnetischen Kalorimeters von ATLAS.
Das Hadronkalorimeter ( HCAL )
Auf unserer radialen Reise von der Strahlenröhre nach außen ist als nächstes das Hadronkalorimeter (HCAL) an der Reihe. Das HCAL misst die Energie und die Positionen der Hadron-Teilchen – jener Teilchen, die durch die starke Kraft wechselwirken –, obwohl es das weniger genau tut als die Energiemessungen von Elektronen und Photonen, die mit dem ECAL vorgenommen werden. Das ist zwangsläufig so. Das HCAL ist riesig. Beim ATLAS z.B. hat das HCAL einen Durchmesser von acht und eine Länge von zwölf Metern. Es wäre unerschwinglich teuer, das HCAL mit der Präzision des ECAL zu segmentieren, weshalb die Präzision der Bahnmessung notwendigerweise schlechter ist. Darüber hinaus sind Energiemessungen bei stark wechselwirkenden Teilchen einfach schwieriger, und zwar unabhängig von der Segmentierung, da die Energie in Hadronschauern stärker schwankt.
Das HCAL beim CMS enthält Schichten von dichtem Material – Messing oder Stahl –, die sich mit Szintillatorplatten aus Plastik abwechseln, welche die Energie und Position der Hadronen aufzeichnen, die sich hindurchbewegen, und zwar anhand der Intensität des szintillierenden Lichts. Das Absorbiermaterial in der zentralen Region von ATLAS ist zwar Eisen, aber das HCAL funktioniert dort ziemlich genauso.
Myonendetektor
Die äußersten Elemente bei jedem Mehrzweckdetektor sind die Myonenkammern. Sie erinnern sich, dass Myonen geladene Teilchen wie Elektronen, aber zweihundertmal schwerer sind. Sie kommen in den elektromagnetischen oder Hadronkalorimetern nicht zum Stillstand, sondern fliegen stattdessen geradewegs durch den dicken Außenbereich des Detektors (siehe Abbildung 38).
Energiereiche Myonen sind sehr nützlich, wenn man nach neuen Teilchen Ausschau hält, weil sie im Unterschied zu den Hadronen isoliert genug sind, um relativ sauber entdeckt und gemessen werden zu können. Die Experimentalphysiker wollen alle Ereignisse, an denen energiereiche Myonen beteiligt sind, in Transversalrichtung messen, weil Myonen wahrscheinlich an den interessanteren Kollisionen beteiligt sind. Myonendetektoren könnten sich auch für jedes schwere, stabile, geladene Teilchen als nützlich erweisen, das bis zu den Außenbereichen des Detektors gelangt.
Abb. 38: Die magnetische Rückschlussspule des CMS, die mit ihrem Myonendetektor verflochten ist – alles im Bau.
Myonenkammern zeichnen die Signale auf, die von denjenigen Myonen hinterlassen werden, die diese äußersten
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