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Skorpione im eigenen Saft

Skorpione im eigenen Saft

Titel: Skorpione im eigenen Saft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Bas
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    Die Panik überfiel mich ganz plötzlich. Sie durchströmte mich nicht allmählich, sondern packte mich mit einer blitzschnellen, eisigen Klaue, hallte im gesamten Nervensystem wider und schlug ihr Hauptquartier im Magenmund auf, unmittelbar begleitet von einer körperlichen und seelischen Angst, die bohrend und unerträglich war.
    »O mein Gott, lass das nicht wahr sein …«
    »Haben Sie was gesagt?«
    Der Taxifahrer dreht seinen wenig anmutigen Kopf, der unter einen Rasenmäher gekommen sein musste, zu mir und stellt die Frage mit diesem galizischen Akzent, den man auch nach fünfzig Jahren an der Universität von Oxford nicht verliert.
    Nur hundert Meter vom Guggenheim-Museum entfernt stehen wir mitten im Stau, der am Vorabend von Heiligabend das Zentrum von Bilbao lahm legt.
    »Nein, nein …, es ist nichts. Können wir nicht einen anderen Weg nehmen? Irgendeine Seitenstraße vielleicht … Wir stecken hier schon seit einer Viertelstunde fest.«
    »Dann sagen Sie mir, welche … Das ist wirklich nicht zum Aushalten … Vielleicht, wenn die Ampel umspringt … Aber dann wird es noch schlimmer, weil uns die auf dem Weg zur Deusto-Brücke vollends die Tour vermasseln … Sagen Sie: Fehlt Ihnen irgendwas?«
    »Noch nicht.«
    Nein, ich glaube nicht. Gut, ich habe Angst und ein paar deutliche Symptome, doch besteht mein körperliches Unwohlsein lediglich aus Krämpfen, Übelkeit oder Schmerzen. Der Mund! Ja, der Mund! Ein Geschmack, als würde ich an etwas Metallischem lutschen, etwas aus Kupfer. Fängt das vielleicht so an? Nein, beruhige dich, Pacho, dein Mund ist nur trocken wegen der Aufregung … Produzier Speichel und schluck ihn runter. Ja, so. Oder doch nicht? Bitte, lass das nicht wahr sein …
    »Solange die Uhr läuft, geht mir das am Arsch vorbei. Sie wissen schon«, er gibt dem Taxameter, das bereits achthundertfünfundsiebzig Peseten anzeigt, einen zärtlichen Klaps. Darüber hängt ein Medaillon des Heiligen Christophorus mit dem bekannten Kind auf dem Buckel, neben einem fürchterlichen, bunt gefleckten Emailleschmuck, dem Wappen des verfluchten Baskenlandes: der wahrscheinlichste Grund für meine beschissene Lage, – »aber wenn ich Sie wäre und wenn Sie es so eilig haben, zum Basurto-Krankenhaus zu kommen, dann würde ich hier aussteigen, schnurstracks zur U-Bahn an der Plaza Moyúa gehen und …, na ja, so nah kommen Sie in Wahrheit mit der U-Bahn dann auch wieder nicht ran, also so, wie’s aussieht … Aber ein bisschen schneller ging’s schon.«
    »Und wenn ich ein weißes Taschentuch raushalte und Sie hupen? Dann lässt man uns bestimmt durch.«
    »Was? Warum ein Taschentuch? Damit man mich erwischt und mir eine Strafe aufbrummt? Haben Sie mir nicht gerade gesagt, dass es Ihnen gut geht?«, misstrauisch kneift er ein Auge zu. Er erinnert mich an Popeyes Großvater.
    »Im Moment schon … Aber wer weiß, wie lang noch … Bestimmt nicht mehr lang.«
    »Na gut, wenn es dann so weit ist, halten Sie aus dem Fenster, was Sie wollen«, meint der Nazi.
    »Los, fahren Sie schon! Vor uns geht es anscheinend weiter.«
    »Mal sehen, ob’s das bringt.«
    Ja, richtig gebracht haben es die berühmten gebackenen Austern, die ich Idiot gerade gegessen habe: so köstlich roh, einzeln eingewickelt in ein frisches Spinatblatt, damit sie ihren Saft behalten, und umhüllt von einem hauchdünnen Teig aus …, Himmel Hergott! Gerade mal zwanzig Meter und wieder stehen wir im Stau.
    Verflucht sei seine Mutter und verflucht der Unglückstag, an dem ich Antón Astigarraga Iramendi das erste Mal begegnet bin!
    »Ist Ihnen kalt? Soll ich die Heizung anmachen?«
    »Nein … Das ändert jetzt auch nichts mehr.«
    Vielleicht hat dieser assimilierte Dorftrottel Recht, und ich sollte besser aus seiner schmierigen, nach Misthaufen stinkenden Karre aussteigen und mich im Galopp zum Krankenhaus aufmachen. Aber wenn ich renne, erhöht sich mein Herzschlag – momentan ist es ein mittleres Rasen – und das Blut zirkuliert noch schneller. Ich glaube, das würde alles eher noch verschlimmern. Oder nicht? Ich weiß nicht, was ich tun soll … Ich muss mich irgendwie ablenken, darf mich nicht hineinsteigern; früher oder später muss sich dieses Verkehrschaos ja auflösen.
    Na los, raff dich auf und geh zu Fuß. Es ist das Beste, ohne Zweifel: nicht noch mehr Zeit verlieren.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Polizei schon nach mir sucht. Los. Ich bezahle diesen Volltrottel, steige aus und renne los.
    »Ah, du lieber

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