Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
liefe, würde die Maschine in ein paar Jahren abgestellt, überarbeitet und dann wieder mit voller Kraft ihren Betrieb aufnehmen und die eigentlichen Antworten liefern, auf die wir warteten.
Eines der wichtigsten Ziele wird es sein, zu erfahren, wie Elementarteilchen zu ihrer Masse kommen. Warum schwirrt nicht alles mit Lichtgeschwindigkeit umher, was die Materie täte, wenn sie eine Nullmasse hätte? Die Antwort auf diese Frage hängt von dem Satz von Elementarteilchen ab, die zusammen als Higgs-Sektor bekannt sind, einschließlich des Higgs-Bosons. Dieses Kapitel erklärt, warum eine erfolgreiche Suche nach diesem Teilchen uns Auskunft darüber geben wird, ob unsere Ideen zur Entstehung der Masse von Elementarteilchen richtig sind. Die Suche, die stattfinden wird, sobald der LHC seinen Betrieb wieder mit einer höheren Intensität und Energie aufnimmt, sollte uns letztlich Auskunft über die Teilchen und die Wechselwirkungen geben, die diesem entscheidenden und recht bemerkenswerten Phänomen zugrunde liegen.
Der Higgs-Mechanismus
Kein Physiker bezweifelt, dass das Standardmodell bei den Energien, die wir bislang untersucht haben, funktioniert. Experimente haben seine vielen Vorhersagen überprüft, die mit einer Genauigkeit von weniger als einem Prozent Abweichung mit den Erwartungen übereinstimmen.
Das Standardmodell beruht jedoch auf einem Element, das niemand bisher beobachtet hat. Der Higgs-Mechanismus, benannt nach dem britischen Physiker Peter Higgs, ist die einzige uns bekannte Möglichkeit, um Elementarteilchen widerspruchsfrei ihre Masse zuzuschreiben. Den Grundannahmen der einfachen Variante des Standardmodells zufolge sollten weder die Eichbosonen, die Kräfte vermitteln, noch die Elementarteilchen, wie etwa Quarks und Leptonen, die für das Standardmodell wesentlich sind, eine Masse haben, die von null verschieden ist. Doch Messungen physikalischer Phänomene zeigen deutlich, dass sie eben doch solche Massen besitzen. Elementarteilchen sind entscheidend für ein Verständnis von Phänomenen der Atom- und Teilchenphysik, wie z.B. für den Radius der Umlaufbahn eines Elektrons in einem Atom oder für die äußerst geringe Reichweite der schwachen Kraft, ganz zu schweigen von der Bildung von Strukturen im Universum. Die Massen bestimmen auch, wie viel Energie nötig ist, um Elementarteilchen zu erzeugen – in Übereinstimmung mit der Gleichung E=mc 2 . Doch im Standardmodell ohne Higgs-Mechanismus wäre die Masse der Elementarteilchen ein Rätsel. Sie wäre unzulässig.
Die Vorstellung, dass Elementarteilchen kein unveräußerliches Recht auf ihre Masse haben, mag unnötig selbstherrlich klingen. Man könnte ganz vernunftgemäß erwarten, dass Elementarteilchen immer die Option haben, eine nichtverschwindende Masse zu besitzen. Doch die raffinierte Struktur des Standardmodells und jeder Theorie von Kräften ist genauso tyrannisch. Sie beschränkt die Arten von Massen, die zulässig sind. Die Erklärungen werden zwar für Eichbosonen etwas anders als für Fermionen aussehen, aber die beiden zugrunde liegende Logik hat mit den Symmetrien zu tun, die im Zentrum jeder Theorie von Kräften stehen.
Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik umfasst die elektromagnetische, schwache und starke Kernkraft, und jede Kraft ist mit einer Symmetrie verbunden. Ohne solche Symmetrien würden zu viele Oszillationsmoden der Eichbosonen – der Teilchen, die diese Kräfte vermitteln – von der Theorie vorhergesagt werden, die der Quantenmechanik und der speziellen Relativitätstheorie zufolge diese Eichbosonen beschreibt. In einer Theorie ohne Symmetrien würden theoretische Berechnungen unsinnige Vorhersagen generieren, wie z.B. Wahrscheinlichkeiten für Wechselwirkungen bei hoher Energie, die für die unechten Oszillationsmoden größer als Eins wären. Aus jeder korrekten Beschreibung der Natur müssen solche unphysikalischen Teilchen – Teilchen, die nicht wirklich existieren, weil sie in die falsche Richtung oszillieren – offenkundig eliminiert werden.
In diesem Zusammenhang wirken die Symmetrien wie Spamfilter oder Auflagen für die Qualitätskontrolle. Qualitätserfordernisse könnten verlangen, dass nur diejenigen Autos beibehalten werden, die z.B. symmetrisch ausbalanciert sind, so dass Autos, die aus der Fabrik kommen, sich alle verhalten, wie erwartet. In jeder Theorie von Kräften schließen die Symmetrien die nicht passenden Elemente ebenfalls aus. Dies lässt sich darauf zurückführen,
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