Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
Teilchen verbinden, die das nicht tun.
Mit anderen Worten, da nur linkshändige Teilchen diese Ladung tragen, könnte die schwache Ladung verlorengehen. Die Ladungen würden anscheinend ins Vakuum verschwinden – der Zustand des Universums, der keine Teilchen enthält. Im Allgemeinen sollte so etwas nicht passieren. Ladungen sollten erhalten bleiben. Wenn die Ladung erscheinen und wieder verschwinden könnte, würden die Symmetrien, die mit der entsprechenden Kraft verbunden sind, gebrochen werden, und die skurrilen probabilistischen Vorhersagen hinsichtlich der hoch energetischen Wechselwirkungen von Eichbosonen, die sie eliminieren sollen, würden erneut auftauchen. Ladungen sollten nie auf so magische Weise verschwinden, wenn das Vakuum wirklich leer ist und keine Teilchen oder Felder enthält.
Aber Ladungen können erscheinen und verschwinden, wenn das Vakuum nicht wirklich leer ist – sondern stattdessen ein Higgs-Feld enthält, das das Vakuum mit einer schwachen Ladung ausstattet. Ein Higgs-Feld besteht nicht aus wirklichen Teilchen, selbst wenn es dem Vakuum eine Ladung verleiht. Es ist im Wesentlichen eine Verteilung von schwacher Ladung durch das ganze Universum, die nur dann auftritt, wenn das Feld selbst einen Wert annimmt, der von null verschieden ist. Wenn das Higgs-Feld nichtverschwindend ist, sieht es so aus, als ob das Universum einen unendlichen Bestand an schwachen Ladungen besäße. Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen unendlichen Bestand an Geld. Sie könnten nach Belieben Geld verleihen oder ausgeben und hätten immer noch eine unendliche Summe zur Verfügung. Auf ähnliche Weise füllt das Higgs-Feld das Vakuum mit einer unendlichen schwachen Ladung. Dabei bricht es die Symmetrien, die mit den Kräften verknüpft sind, und lässt Ladungen in das Vakuum hinein- und herausfließen, so dass problemlos Teilchenmassen entstehen.
Eine Möglichkeit, sich den Higgs-Mechanismus und den Ursprung der Massen vorzustellen, ist, dass dieser Mechanismus sich wie eine zähe Flüssigkeit verhält – ein Higgs-Feld, das das Vakuum ausfüllt –, die eine schwache Ladung trägt. Teilchen, die diese Ladung tragen, wie z.B. das schwache Eichboson und die Quarks und Leptonen des Standardmodells, können mit dieser Flüssigkeit wechselwirken, und durch diese Wechselwirkungen werden sie gebremst. Dieser Bremsprozess entspricht dem Erwerb von Masse durch die Teilchen, da masselose Teilchen sich mit Lichtgeschwindigkeit durch das Vakuum bewegen werden.
Dieser raffinierte Prozess, durch den Elementarteilchen ihre Massen erhalten, wird Higgs-Mechanismus genannt. Er gibt uns nicht nur darüber Auskunft, wie Elementarteilchen ihre Masse erhalten, sondern sagt uns auch eine Menge über die Eigenschaften dieser Massen. Der Mechanismus erklärt beispielsweise, warum manche Teilchen schwer, aber andere leicht sind. Teilchen, die mit dem Higgs-Feld stärker wechselwirken, haben größere Massen, und diejenigen, die damit weniger wechselwirken, haben kleinere. Das Top-Quark weist als schwerstes Teilchen die größte Wechselwirkung auf. Ein Elektron oder ein Up-Quark, die relativ kleine Massen haben, weisen viel schwächere Wechselwirkungen auf.
Der Higgs-Mechanismus liefert auch einen tiefen Einblick in das Wesen des Elektromagnetismus und das Photon, das diese Kraft vermittelt. Der Higgs-Mechanismus sagt uns, dass nur diejenigen Austauschteilchen Masse erwerben, die mit der über das ganze Vakuum verteilten schwachen Ladung wechselwirken. Da die W -Eichbosonen und die Z -Bosonen mit diesen Ladungen wechselwirken, haben sie nichtverschwindende Massen. Das Higgs-Feld, das das Vakuum durchsetzt, trägt zwar eine schwache Ladung, ist aber elektrisch neutral. Das Photon interagiert nicht mit der schwachen Ladung, seine Masse bleibt also null. Das zeichnet das Photon aus. Ohne den Higgs-Mechanismus gäbe es drei Eichbosonen mit verschwindender Masse und ein anderes Austauschteilchen – ebenfalls mit verschwindender Masse – das als Hyperladungs-Eichboson bezeichnet wird. Niemand würde je von einem Photon sprechen. Aber beim Vorhandensein eines Higgs-Feldes wird nur eine einzige Kombination des Hyperladungs-Eichbosons mit einem der drei schwachen Eichbosonen nicht mit der Ladung im Vakuum wechselwirken – und diese Kombination ist eben das Photon, das die elektromagnetische Kraft vermittelt. Die Masselosigkeit des Photons ist für die bedeutenden Phänomene entscheidend, die sich aus dem Elektromagnetismus ergeben.
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