Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)

ungefähr 10 Millionen Jahre, um vom einen Ende eines Galaxieclusters bis zum anderen hinüberzugelangen.
    Doch trotz des gewaltigen Größenbereichs verhalten sich die meisten dieser Körper im Einklang mit Newtons Gesetzen. Die Umlaufbahn des Mondes kann wie die Umlaufbahn von Pluto oder die Umlaufbahn der Erde im Sinne der Newton’schen Gravitationstheorie erklärt werden. Anhand des Abstands des Planeten von der Sonne kann seine Umlaufbahn mit Newtons Gesetz der Gravitationskraft vorhergesagt werden. Das ist dasselbe Gesetz, demzufolge Newtons Apfel auf die Erde fiel.
    Dennoch ergaben genauere Messungen der planetaren Umlaufbahnen, dass Newtons Gesetze nicht das letzte Wort waren. Die Allgemeine Relativitätstheorie wurde benötigt, um die Präzession des Merkurperihels zu erklären, die in der über die Zeit hinweg beobachteten Veränderung seiner Umlaufbahn um die Sonne besteht. Die allgemeine Relativitätstheorie ist eine umfassendere Theorie, die zwar Newtons Gesetze bei niedrigen Dichten und kleinen Geschwindigkeiten einschließt, aber auch außerhalb dieser Einschränkungen gültig ist.
    Zwar benötigt man die Allgemeine Relativitätstheorie zur Beschreibung der meisten Objekte nicht. Aber ihre Effekte können sich mit der Zeit akkumulieren und treten hervor, wenn Objekte hinreichend dicht sind, wie z.B. bei schwarzen Löchern. Das schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie hat einen Radius von etwa 10 Billionen (10 13 ) Metern. Die eingeschlossene Masse ist sehr groß – etwa 4 Millionen Mal die Masse der Sonne –, und es erfordert wie alle anderen schwarzen Löcher auch die Allgemeine Relativitätstheorie zur Beschreibung seiner Gravitationseigenschaften.
    Das gesamte sichtbare Universum hat gegenwärtig einen Durchmesser von 100 Milliarden Lichtjahren – 10 27 Meter, eine Million Mal die Größe unserer Galaxie. Das ist enorm und auf den ersten Blick überraschend, da es größer ist als die Entfernung, die wir 13,75 Milliarden Jahre nach der Zeit des Urknalls tatsächlich beobachten können. Nichts sollte sich schneller als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen können, weshalb diese Größe bei einem Alter des Universums von 13,75 Milliarden Jahren als unmöglich erscheinen könnte.
    Es gibt jedoch keinen derartigen Widerspruch. Der Grund, weshalb das Universum als ganzes größer ist als die Entfernung, die ein Signal unter Voraussetzung seines Alters gewandert sein könnte, besteht darin, dass sich der Raum selbst ausgedehnt hat. Die Allgemeine Relativitätstheorie spielt für das Verständnis dieses Phänomens eine große Rolle. Ihre Gleichungen sagen uns, dass das Gewebe des Raumes selbst sich ausgedehnt hat. Wir können Orte im Universum beobachten, die so weit voneinander entfernt sind, auch wenn sie einander nicht sehen können.
    Aufgrund der endlichen Lichtgeschwindigkeit und des endlichen Alters des Universums hat dieser Abschnitt uns nun an die Grenzen der beobachtbaren Größen geführt. Das sichtbare Universum ist alles, was mit unseren Teleskopen zugänglich ist. Dennoch ist die Größe des Universums höchstwahrscheinlich nicht darauf beschränkt, was wir sehen können. Wie bei kleinen Größenskalen, wo wir Vermutungen anstellen, die über die gegenwärtigen experimentellen Beschränkungen hinausgehen, können wir auch in Erwägung ziehen, was jenseits des beobachtbaren Universums existiert. Die einzige Grenze für die größten Größen, die wir uns vorstellen können, ist unsere Vorstellungskraft selber und unsere Geduld, über Strukturen nachzudenken, von denen wir nicht hoffen können, sie je zu beobachten.
    Wir wissen wirklich nicht, was jenseits des Horizonts liegt – der Grenze des beobachtbaren Universums. Die Grenzen für unsere Beobachtungen eröffnen die Möglichkeit neuer und exotischer Phänomene jenseits. Andere Strukturen, andere Dimensionen und auch andere Gesetze der Physik können im Prinzip so lange gelten, wie sie nicht im Widerspruch zu irgendetwas stehen, das beobachtet wurde. Das bedeutet nicht, dass jede Möglichkeit auch in der Natur realisiert ist, wie mein Kollege aus der Astrophysik, Mark Tegmark, manchmal behauptet. Es bedeutet jedoch, dass es viele Möglichkeiten dafür gibt, was alles dort draußen sein kann.
    Wir wissen noch nicht, ob andere Dimensionen oder andere Universen existieren. Wir können eigentlich nicht einmal mit Gewissheit sagen, ob das Universum als ganzes endlich oder unendlich ist, obwohl die meisten von uns glauben, dass