Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
gab, bei dem Lichtwellen entfernterer Objekte sich zu längeren Wellenlängen hin verschoben. Diese Rotverschiebung zeigte, dass die Galaxien zurückwichen, ebenso wie das hohe Heulen einer Sirene in seiner Frequenz abnimmt, wenn ein Krankenwagen sich mit hoher Geschwindigkeit entfernt (siehe Abbildung 71). Die Galaxien, die er identifiziert hatte, waren im Hinblick auf unseren Standort nicht stationär, sondern expandierten alle von uns weg. Das war ein Beleg dafür, dass wir in einem expandierenden Universum leben, in dem die Galaxien sich weiter voneinander wegbewegen.
Abb. 71: Das Licht von einem sich von uns weg bewegenden Objekt ist zu niedrigeren Frequenzen – oder zum roten Ende des Spektrums – hin verschoben, während Licht von sich auf uns zu bewegenden Objekten zu höheren Frequenzen hin oder blauverschoben ist. Das ist analog zum Heulen einer Sirene, die einen tieferen Ton hat, wenn ein Krankenwagen sich wegbewegt, und einen höheren Ton, wenn er sich nähert.
Die Expansion des Universums unterscheidet sich von den Bildern, die wir uns möglicherweise zuerst vorstellen, da das Universum sich nicht in einen schon vorhandenen Raum ausdehnt. Das Universum ist alles, was es gibt. Es ist nichts vorhanden, in das hinein es sich ausdehnen könnte. Das Universum dehnt sich aus, ebenso wie der Raum selbst. Andere Galaxien bewegen sich zwar weiter von uns weg, aber unser Standort ist kein besonderer – sie bewegen sich auch voneinander weg.
Eine Möglichkeit, sich das anschaulich klarzumachen, besteht in der Vorstellung des Universums als Oberfläche eines Ballons. Angenommen, Sie hätten zwei Punkte auf der Oberfläche des Ballons markiert. Je mehr der Ballon aufgeblasen wird, umso mehr dehnt sich die Oberfläche, und diese beiden Punkte bewegen sich weiter voneinander weg (siehe Abbildung 72). Genau das geschieht mit zwei beliebigen Punkten im Universum bei seiner Expansion. Der Abstand zwischen zwei beliebigen Punkten – oder zwei beliebigen Galaxien – nimmt zu.
Abb. 72: Das »Balloniversum« veranschaulicht, wie alle Punkte sich voneinander wegbewegen, während der Ballon (das Universum) expandiert.
Man beachte, dass in unserer Analogie die Punkte selbst nicht unbedingt expandieren, sondern nur der Raum zwischen ihnen. Genau dasselbe geschieht auch im expandierenden Universum. Beispielsweise sind Atome durch elektromagnetische Kräfte eng aneinander gebunden. Sie werden kein bisschen größer. Dasselbe gilt für relativ dichte, stark aneinander gebundene Strukturen wie Galaxien. Die Kraft, die die Expansion antreibt, wirkt zwar auch auf sie, aber weil andere Kraftbeiträge am Werk sind, wachsen die Galaxien nicht selbst mit der Gesamtexpansion des Universums. Sie unterliegen so starken Anziehungskräften, dass sie gleich groß bleiben, während ihre relative Entfernung voneinander größer wird.
Natürlich ist diese Ballonanalogie nicht vollkommen. Das Universum hat drei räumliche Dimensionen und nicht nur zwei. Außerdem ist das Universum groß und wahrscheinlich unendlich und nicht klein und gekrümmt wie die Oberfläche des Ballons. Darüber hinaus existiert der Ballon in unserem Universum und expandiert in den vorhandenen Raum. Im Unterschied dazu durchdringt das Universum den Raum und expandiert nicht in etwas anderes hinein. Aber auch unter diesen Vorbehalten veranschaulicht die Oberfläche eines Ballons ziemlich gut, was die Expansion für den Raum bedeutet. Jeder Punkt bewegt sich gleichzeitig von jedem anderen Punkt weg.
Eine Ballon-Analogie – die sich dieses Mal auf das Innere bezieht – ist auch nützlich für das Verständnis, wie das Universum sich von seiner anfänglichen Existenz als heißer, dichter Feuerball abkühlte. Stellen Sie sich einen extrem heißen Ballon vor, den Sie zu einer gewaltigen Größe expandieren lassen. Obwohl er am Anfang zu heiß gewesen sein mag, um ihn anzufassen, wird der expandierte Ballon viel kühlere Luft enthalten, so dass eine Berührung nun problemlos möglich wäre. Die Urknall-Theorie sagt voraus, dass das anfänglich heiße, dichte Universum expandierte, während es dabei immer kühler wurde.
Einstein hatte eigentlich schon ein expandierendes Universum aus seinen Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie abgeleitet. Damals hatte jedoch noch niemand die Expansion des Universums gemessen, weshalb er seiner Vorhersage nicht traute. Bei dem Versuch, seine Theorie mit einem statischen Universum in Einklang zu bringen, führte
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