Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
Wenn ein System keinen Impuls hat, gilt Einsteins Gleichung E = mc 2 . Daher ist die Kenntnis der Energie eines Systems in Ruhe äquivalent mit der Kenntnis seiner invarianten Masse. Wenn das System sich nicht in Ruhe befindet, müssen wir eine kompliziertere Version dieser Formel verwenden, die von dem Wert des Impulses sowie von der Energie abhängt.
Angenommen, wir lassen zwei Strahlen mit derselben Energie und gleichem, aber entgegengesetztem Impuls aufeinanderprallen. Beim Zusammenstoß addieren sich die Impulse zu null. Das bedeutet, dass das Gesamtsystem sich bereits in Ruhe befindet. Daher kann die gesamte Energie – die Summe der Energie der Teilchen in den beiden einzelnen Strahlen – in Masse umgewandelt werden.
Ein Fixed-Target-Experiment sieht ganz anders aus. Der eine Strahl hat einen großen Impuls, aber das Ziel selbst hat keinen. Zur Erzeugung neuer Teilchen ist nicht die gesamte Energie verfügbar, weil das aus dem Ziel und dem Teilchen, von dem es getroffen wird, bestehende System sich immer noch bewegt. Wegen dieser Bewegung kann nicht alle Energie aus der Kollision für die Erzeugung neuer Teilchen verwendet werden, da ein Teil dieser Energie als kinetische Energie übrigbleibt, die mit der Bewegung verbunden ist.
Es zeigt sich, dass die verfügbare Energie nur mit der Quadratwurzel des Produktes aus der Energie des Strahls und des Targets zunimmt. Das bedeutet z.B., dass die zur Erzeugung neuer Teilchen verfügbare Energie nur um den Faktor zehn zunehmen würde, wenn wir die Energie eines Protonenstrahls um das Hundertfache erhöhen und es mit einem ruhenden Proton zusammenstoßen lassen.
Daran erkennen wir, dass es einen großen Unterschied zwischen Fixed-Target-Zusammenstößen und Kollisionen zweier Strahlen gibt. Die Energie einer Kollision zweier Strahlen ist weitaus größer – weit mehr als doppelt so groß wie bei der Kollision eines Strahls mit einem feststehenden Target, wie Sie vielleicht annehmen könnten. Aber diese Vermutung würde auf Newton’schem Denken beruhen, welches für die relativistischen Teilchen in jenem Strahl, die sich mit annähernder Lichtgeschwindigkeit bewegen, nicht gilt. Der Unterschied in der Nettoenergie von Fixed-Target-Kollisionen verglichen mit dem Zusammenstoß zweier Strahlen ist viel größer als man zunächst denken mag, weil in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit die Relativitätstheorie ins Spiel kommt. Wenn wir hohe Energien erreichen wollen, haben wir keine andere Wahl, als uns den Teilchen-»Collidern« zuzuwenden, die zwei Teilchenstrahlen vor der Kollision auf eine hohe Energie beschleunigen. Die gleichzeitige Beschleunigung zweier Strahlen ermöglicht das Erreichen viel höherer Energien und damit auch viel ergiebigere Kollisionen.
Der LHC ist solch ein »Collider«. Er lässt zwei Teilchenstrahlen aufeinanderprallen, die von Magneten so abgelenkt werden, dass sie aufeinander gerichtet sind. Die wichtigsten Parameter, die die Leistungsfähigkeiten eines Teilchenbeschleunigers, wie z.B. des LHC, bestimmen, sind die Art kollidierender Teilchen, ihre Energie nach der Beschleunigung und der Luminosität der Maschine (die Intensität der beiden Strahlen, und damit die Anzahl von auftretenden Ereignissen).
Beschleunigertypen
Jetzt, da wir festgestellt haben, dass zwei kollidierende Strahlen eine höhere Energie liefern (und somit geringere Abstände erforschen) als Fixed-Target-Experimente, ist die nächste Frage, was man kollidieren lässt. Das führt zu einigen interessanten Wahlmöglichkeiten. Insbesondere müssen wir entscheiden, welche Teilchen wir beschleunigen, so dass sie an der Kollision teilnehmen.
Es ist eine gute Idee, Materie zu verwenden, die hier auf der Erde ohne weiteres verfügbar ist. Im Prinzip könnten wir versuchen, instabile Teilchen miteinander kollidieren zu lassen, wie z.B. Myonen , die schnell in Elektronen zerfallen, oder schwere Quarks, wie z.B. Top-Quarks , die in andere leichtere Materie zerfallen.
In diesem Fall müssten wir diese Teilchen zuerst in einem Labor herstellen, weil sie nicht ohne weiteres verfügbar sind. Aber selbst wenn wir sie herstellen und vor ihrem Zerfall beschleunigen könnten, müssten wir sicherstellen, dass die Zerfallsstrahlung sicher abgelenkt werden könnte. Keines dieser Probleme ist notwendigerweise unüberwindbar, besonders im Fall der Myonen, deren Einsetzbarkeit als Teilchenstrahlen gegenwärtig erforscht wird. Aber sie stellen gewiss zusätzliche Herausforderungen dar, mit
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