Die Verschwörer von Kalare
Fähigkeit den anderen Kursoren beibringen. Das wäre doch ausgesprochen wertvoll für uns.«
»Ich werde mich damit befassen, Erster Fürst«, sagte Tavi.
»Sehr gut«, antwortete Gaius. »Ich wollte mit dir sprechen. Ich habe deine Auswertung der Berichte gelesen, die du dir angesehen hast.«
Tavi blinzelte. »Erster Fürst? Ich dachte, die wären allein für Hauptmann Miles bestimmt. Es überrascht mich, dass sie bei dir gelandet sind.«
»Für gewöhnlich wären sie das auch nicht. Wenn ich versuchen würde, alles zu lesen, was in der Zitadelle verfasst wird, wäre ich binnen eines Tages unter einem Papierberg erstickt«, erwiderte Gaius. »Aber Miles hat deine Erörterung beeindruckt, und deshalb hat er sie an mich weitergeleitet.«
Tavi holte tief Luft. »Oh.«
»Du führst sehr überzeugend aus, dass der richtige Moment
gekommen sei, um gegen die ehrgeizigeren Hohen Fürsten vorzugehen.«
»Erster Fürst«, protestierte Tavi. »Das entspricht nicht alles notwendigerweise meiner eigenen Meinung. Miles hat mich aufgefordert, dieses Schriftstück als Gegenrede zu seinen bevorzugten Strategien zu verfassen. Ich habe es nur geschrieben, um ihm bei der Suche nach Schwachstellen in seinen eigenen Plänen zu helfen.«
»Das ist mir wohl bewusst«, gab Gaius zurück. »Allerdings schränkt das die Aussagekraft deiner Schlussfolgerungen nicht ein.« Er runzelte die Stirn und richtete den Blick auf die einfachen Bücherborde. »Ich glaube, du hast recht. Es ist an der Zeit, die Hohen Fürsten zur Abwechslung mal nach meiner Pfeife tanzen zu lassen.«
Tavi runzelte ebenfalls die Stirn. »Aber … Erster Fürst, das könnte in einer Katastrophe enden.«
Gaius schüttelte den Kopf. »Früher oder später wird es auf die eine oder andere Weise sowieso zur Katastrophe kommen. Kalare oder Aquitania werden sich gegen mich erheben. Am besten handele ich jetzt, solange ich die Dinge selbst in der Hand habe, anstatt abzuwarten, bis sie ihre Vorbereitungen getroffen haben.«
»Allerdings, Erster Fürst«, wandte Tavi ein, »könnte das auch schiefgehen.«
Gaius schüttelte den Kopf und lächelte. »Wird es schon nicht.«
»Wie kommst du darauf?«
Der Erste Fürst zwinkerte. »Instinkt.«
Tavi lachte unwillkürlich. »Ja, Erster Fürst.« Er richtete sich auf. »Welche Befehle hast du für mich?«
»Wir müssen uns immer noch um deine militärische Ausbildung kümmern«, meinte der Erste Fürst, »aber bei den Legionen, die ich dafür bevorzugen würde, werden erst im nächsten Jahr wieder Rekruten aufgenommen.« Gaius warf ihm eine lederne Briefmappe zu, die er aus seiner Tunika gezogen hatte. »Bis dahin
musst du dir irgendwie die Zeit vertreiben. Also unternimmst du erst einmal eine Reise.«
Tavi betrachtete skeptisch die Briefmappe. »Wohin?«
»Ins Tal«, antwortete Gaius. »Genauer gesagt zu den Ruinen von Appia, wo du dich von Maestro Magnus unterrichten lässt.«
Tavi blinzelte und starrte Gaius an. »Wie bitte?«
»Du hast dein zweites Jahr als Akadem beendet, und allein die großen Elementare wissen, was du anstellen würdest, nur um dich zu beschäftigen, wenn man dich hier deinen Neigungen nachgehen lassen würde. Ich habe deine Arbeit über die romanischen Handwerkskünste gelesen. Und Magnus ebenfalls. Er braucht einen Gehilfen bei seinen Forschungen«, erläuterte Gaius. »Da habe ich dich vorgeschlagen, und er hat sofort eingewilligt, dich für sechs Monate bei sich aufzunehmen.«
Tavi stand der Mund offen. »Aber … mein Fürst …««
Gaius schüttelte den Kopf. »Glaube mir, das soll keine Vergnügungsfahrt für dich werden, Tavi. Möglicherweise brauche ich dich dort vor Ort, je nachdem, wie sich die Dinge entwickeln. Solange du jedenfalls nicht den Wunsch äußerst hierzubleiben.«
Tavi spürte, wie sich sein Mund langsam zu einem ungläubigen Grinsen verzog. »Ja, Erster Fürst! Ich meine, nein, mein Fürst, ja! Es wäre mir eine Ehre.«
»Hervorragend«, sagte Gaius. »Dann geh packen, denn du wirst vor Tagesanbruch aufbrechen. Und bitte Gaelle, diese Briefe an deiner Stelle auszuliefern.«
Tavi holte scharf Luft. Gaelle, eine Mitschülerin von Tavi an der Akademie, war eigentlich gar nicht die richtige Gaelle. Denn die junge Schülerin war ermordet und durch eine Doppelgängerin ersetzt worden, ehe Tavi die Gelegenheit bekommen hatte, sie überhaupt kennen zu lernen. Die Spionin, die diese Tat begangen hatte, eine kalarische Blutkrähe namens Rook, hatte vor zwei Jahren mit ihm
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