Die Verschwörung des Bösen
vielleicht ein merkwürdiges Erlebnis erklären?«, fragte Iker. »An einem Teich ist mir eines Tages eine schöne Frau mit wunderbaren Haaren erschienen. Welche Göttin kann das gewesen sein?«
»Useret, die Mächtige, die Dame von Uräus und der weiblichen Sonne«, sagte Isis. »Ihr zu begegnen, ist nur wenigen vergönnt, dabei seid Ihr aber einem ernsten Unglück nur entgangen, weil Ihr die Worte zur Beschwichtigung nicht ausgesprochen habt. Nachdem sie sich bei dem Ritual gezeigt hat, bei dem Ihr anwesend wart, habt Ihr nichts mehr zu fürchten. Wird sie Euch wohl bei Eurer wichtigen Aufgabe helfen?«
»Vielleicht… Sehen wir uns vielleicht wieder?«
»Das bleibt dem Schicksal überlassen.«
34
Medes war sich nicht sicher, wie er weiter vorgehen sollte: Entweder musste er Iker so unauffällig wie möglich vernichten, indem er nach und nach seinen guten Ruf beschädigte, oder sich damit begnügen, ihn einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen? Er hatte zuerst angenommen, der Schreiber würde sich angesichts seiner bedeutenden Stellung am Hofe breit machen; nach einiger Zeit musste er aber feststellen, dass der junge Mann unter Chnum-Hotep wie jeder andere königliche Schreiber arbeitete, an keinem festlichen Essen teilnahm, die Würdenträger nicht aufsuchte und auch sonst keine machtheischende Rolle spielte.
Weil Iker damit Medes’ Erstaunen, aber auch Misstrauen erregte, lud dieser ihn zum Essen ein, um ihn auszuhorchen. War dieser Bauernjunge tatsächlich derart zufrieden mit seinem Schicksal, dass er lieber im Hintergrund blieb, oder verfolgte er ein Vorhaben, dessen Ziele erst langfristig sichtbar wurden? Am ehesten war es wohl so, dass sich Iker auf Befehl des Königs so verhielt.
»Der Königliche Sohn lässt Euch ausrichten, dass er Euch nicht mit seinem Besuch beehren kann, Herr«, teilte ihm sein Haushofmeister mit.
»Warum denn nicht?«
»Er hat Memphis verlassen.«
Im Palast versuchte Medes mehr darüber
herauszubekommen, brachte aber nur eines in Erfahrung: Iker hatte ein Schiff bestiegen, das Richtung Süden fuhr; und er reiste allein, begleitet von seinem Esel. Dieser eigentümliche Abgang deutete darauf hin, dass Iker in Ungnade gefallen war. Sollte Sesostris mit dem Schreiber unzufrieden gewesen sein und ihn zurück in sein Dorf geschickt haben, damit nie wieder von ihm die Rede war?
Einigermaßen erleichtert machte sich Medes an seine Arbeit, wobei er auf ein verschlüsseltes Schreiben stieß, das von dem Libanesen stammte. In einer Anhäufung von Höflichkeiten fand er schließlich den entscheidenden Satz: »Ich muss Euch dringend sehen.«
»Wünscht Ihr einen Becher Wein, lieber Medes?«, fragte der Libanese.
»Wegen dir musste ich eine Essenseinladung ausschlagen und hoffe, dass ich das nicht bereuen werde.«
»Mein Herr bestätigt Euer Treffen in der Nähe von Abydos, es soll auf einem meiner Schiffe stattfinden.«
»Hier sind meine Bedingungen: Gergu wird mit der Abreise aus Memphis an Bord sein, und ich reise eigenständig an den vereinbarten Ort.«
»Ganz wie Ihr wollt.«
»Bist du dabei?«
»Das wünscht mein Herr nicht«, antwortete der Libanese ausweichend. »Meine Geschäfte, die im Übrigen sehr gut gehen, erfordern, dass ich hier bleibe.«
Medes sah ihn drohend an. »Versuche nur ja keine krummen Sachen mit mir.«
»Da wäre ich ja verrückt! Dank Euch mache ich ein Vermögen und kann ein sehr angenehmes Leben führen.«
»Dein Herr auch?«
»Ach, wisst Ihr, er ist ganz anders. Jeder nach seinem Geschmack.«
»Das scheint ja eine sehr geheimnisvolle Person zu sein!«
»Er hat es nicht gern, wenn ich über ihn spreche.«
»Sollte er versuchen, mir zu schaden, wird er das bitter bereuen.«
»Das beabsichtigt er aber nun wirklich nicht, Medes. Er möchte Euch treffen, um unsere Zusammenarbeit zu fördern.«
Gergu und der Schiffsführer, der für den Libanesen arbeitete, mochten sich gleich auf den ersten Blick. Gergu hatte ein Herz für solche grobschlächtigen, ungehobelten Raufbolde mit wilder Mähne, die einen Menschen ohne die geringste Gefühlsregung töten konnten; und Gergus unverhohlen grausames Wesen gefiel wiederum dem Seemann.
»Ich muss dein Schiff von oben bis unten durchsuchen.«
»Meinetwegen, das geht doch sicher auch mit einem Becher Wein in der Hand, oder?«
»Ich denke schon«, sagte Gergu.
»Mein Wein ist zwar etwas herb, aber er trinkt sich gut.«
Gergu leerte den ersten Becher in einem Zug.
»Na ja, ein bisschen sauer ist er
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