Die Verschwörung des Bösen
seinem Schurz, mit dem er Sesostris töten wollte, und ließ die Klinge in der Sonne funkeln.
5
Die Witwe musste hart arbeiten. Sie wollte dafür sorgen, dass ihre Kinder einmal eine glückliche Zukunft hatten. Auf ihren abgelegenen Feldern im Norden von Memphis baute sie mit zwei Landarbeitern Gemüse an, das sie auf den Märkten der Umgebung verkaufte.
Als sie gerade schön gewachsene Zucchini in einen großen Gemüsekorb packte, baute sich ein haariges Ungeheuer vor ihr auf, und obwohl die Witwe eigentlich nicht ängstlich war, wich sie doch zurück.
»Guten Tag, meine Gute! Da besitzt du aber ein schönes kleines Gut, was? Das bringt sicher ganz nett was ein.«
»Darf ich fragen, was dich das angeht?«
Schiefmaul grinste boshaft. »Ich bin ein freundlicher Zeitgenosse und hab immer ein offenes Ohr für die Sorgen der anderen. Deshalb kümmere ich mich auch um ihren Schutz. Und du brauchst ganz bestimmt meinen Schutz!«
»Da irrst du dich aber.«
»O nein, ich irre mich nie!«
»Verschwinde!«
»Es verärgert mich nur, wenn man so mit mir spricht. Und glaube nicht, dass dich deine Arbeiter verteidigen, sie sind in der Hand meiner Männer. Was deine Sprösslinge betrifft –
wenn du einsichtig bist, werden wir ihnen nichts tun.«
Die Witwe wurde bleich vor Schreck. »Was willst du von mir?«
»Ein Zehntel deiner Einnahmen als Gegenleistung für meinen Schutz. Und versuch gar nicht erst, mich zu hintergehen. Falls du mich belügst oder Einnahmen verschweigst, räche ich mich an deiner Jüngsten.«
Schiefmauls Vorgehen hatte sich bereits sehr bewährt. Mit seiner Truppe gnadenloser Landstreicher brachte er bescheidene Betriebe in seine Gewalt, deren Besitzer auf seine Erpressung eingingen, aus Angst um ihr Leben oder davor, dass ihre Angehörigen sonst gequält werden könnten. Die Witwe machte hier keine Ausnahme.
Und weil er seinen Weg nicht mit Leichen pflasterte, erregte Schiefmaul auch nicht die Aufmerksamkeit der Behörden. Da er bereits eine ganze Menge so genannter »Schutzbefohlenen«
hatte, waren seine Einnahmen inzwischen recht beachtlich. Das war zwar nur ein Anfang, aber er beglückwünschte sich für seine Fortschritte und hoffte, dass der große Herr zufrieden sein würde.
Schiefmaul gelangte über den nördlichen Vorort in die Stadtmitte von Memphis. Von dort aus konnte man die alte Festung mit ihren weißen Mauern sehen, Werk des ersten Pharaonen, Menés des »Beständigen«. Angesichts des Pöbels, der sich dort zahlreich aufhielt, war es in diesem Viertel kein Problem, unbeobachtet seiner Wege zu gehen. Sein großer Herr, der Prophet, hatte sich hier eine bescheidene Bleibe über einem kleinen Laden gesucht, den seine Getreuen führten. Als geborener Verbrecher und Urheber bewaffneter Überfälle hatte Schiefmaul einige lange Jahren in den Kupferminen auf dem Sinai zugebracht. Seine Flucht aus den Minen war nur durch einen Angriff des Propheten und seiner Leute möglich geworden. Obwohl er eigentlich keine Lust hatte, irgendeine Obrigkeit anzuerkennen, musste der Räuber sich doch eingestehen, dass er wohl keinen besseren Herrn finden würde. Ausschlaggebend war für ihn dabei, dass der Prophet ihm erlaubte, sich nach Lust und Laune zu bereichern, allerdings unter der Voraussetzung, dass er sich unauffällig verhielt und mit seiner Truppe auch für schwierigere Einsätze als die Erpressung abgelegener Bauernhöfe übte.
Der Grobian genoss sein neues Leben in vollen Zügen. Seine einzige Verpflichtung bestand darin, in regelmäßigen Abständen nach Memphis zu kommen, mit dem Propheten zu reden und ihm seine Leibspeise zu bringen.
Egal, welche Hauptstadt die einzelnen Pharaonen bevorzugten – Memphis war und blieb mit seinem großen Nilhafen der wirtschaftliche Mittelpunkt Ägyptens. Hier trafen die Waren aus Kreta, dem Libanon und Asien ein, wurden registriert und in riesigen Lagerhäusern untergebracht. Die zahllosen Speicher waren voll von Getreide, in den Ställen warteten fette Rinder und in der Schatzkammer wurden Gold und Silber, Kupfer und Lapislazuli, Duftwasser, Arzneimittel, Wein, die verschiedensten Öle und viele andere Kostbarkeiten verwahrt.
Insgeheim träumte Schiefmaul davon, sich all dieser Reichtümer zu bemächtigen und der wohlhabendste Mann des ganzen Landes zu werden. Und irgendwie bestärkte ihn der Prophet in diesem Traum, weil er nichts gegen seine Pläne einzuwenden hatte.
Obwohl Schiefmaul an nichts glaubte, fürchtete er doch die Grausamkeit des
Weitere Kostenlose Bücher