Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde
VORWORT VON LISA UNGER
A ls ich Lydia Strong zum ersten Mal begegnete, war ich neunzehn Jahre alt. Damals wohnte ich in New Yorks East Village, war mit einem Polizisten zusammen und besuchte das Eugene Lang College, die Eingangsstufe des Neuen Instituts für Sozialforschung. Ich saß in einem Auto unter einer U-Bahn-Brücke in der Bronx und wartete – auf was, weiß ich nicht mehr. Aber an jenem Tag sah ich zum ersten Mal in meinen Gedanken eine Frau an einer Kirche vorbeijoggen. Die Kirche befand sich in New Mexico. Über die Frau wusste ich nur, dass sie einen tiefen seelischen Schmerz in sich trug. Zu laufen war ihr Trost, Religion und Droge zugleich. Sie hieß Lydia.
Ich fischte eine Papierserviette und einen Stift aus dem Handschuhfach und schrieb die ersten Zeilen von Im Herzen die Sünde nieder. Es sollte zehn Jahre dauern, bis ich den Roman vollendete, weil die Zeit zwischen meinem neunzehnten und neunundzwanzigsten Geburtstag von harter Arbeit und turbulenten Veränderungen geprägt war und ich meinen Traum, Schriftstellerin zu werden, vernachlässigte. Aber Lydia war eine treue Seele; sie wartete.
Obwohl ich unbedingt einen Roman schreiben wollte, eine erstklassige Ausbildung genossen und in einem Verlag Karriere gemacht hatte, wusste ich nicht viel über das Leben, als ich an meinem ersten Buch arbeitete. Ich glaube, kaum jemand hat eine Vorstellung davon, was es bedeutet, einen Roman zu schreiben, ohne einen eigenen Versuch gewagt zu haben. (Und auch später beim zweiten und dritten Buch fühlt es sich so an, als erlerne man das Schreiben wieder aufs Neue.) Ich wusste nur eins: Ich war bezaubert von dieser Frau, die einen großen Teil meiner Gedanken beherrschte. Ihre dunklen Obsessionen zogen mich in ihren Bann. Ich war fasziniert von ihrer Vergangenheit und den Rätseln ihrer Gegenwart. Warum gestattete sie sich nicht einfach, den Mann zu lieben, der ihr so viel Liebe entgegenbrachte? Unaufhörlich taten sich neue Fragen auf, und im Lauf der zehn Jahre war ich immer dann am glücklichsten, wenn ich mich auf die Suche nach Antworten begab.
Zu meinem großen Glück nahm sich bereits meines allerersten Buchs die wunderbare Agentin Elaine Markson an, die recht schnell einen Verlag für Im Herzen die Sünde und die noch ungeschriebene Fortsetzung fand. Die folgenden Jahre verbrachte ich mit Lydia Strong und den schillernden Figuren, die ihr begegneten. Ich genoss jeden dunklen Augenblick, jede schwierige Wendung des Schicksals, die ihnen widerfuhr.
Ich folgte Lydia von New Mexico nach New York, nach Albanien, Miami und wieder zurück. Wir stapften durch Manhattans stillgelegte U-Bahn-Tunnel und durch die Wildnis Floridas, wir erkundeten eine rätselhafte Kirche in der Bronx und eine fiktionale Stadt namens Haunted. Es war eine aufregende Reise, und ich schrieb, als stünden meine Hände in Flammen.
Ich freue mich, dass meine ersten Werke, die ich noch unter meinem Mädchennamen Lisa Miscione verfasste, eine wunderbare Heimat bei Broadway Paperbacks gefunden haben und einen Platz in den Buchregalen bekommen. Am meisten freut es mich natürlich, dass sie es bis in Ihre Hände geschafft haben. Ich kenne zahlreiche Autoren, die ihre Erstlingswerke am liebsten vor der Welt verstecken würden, weil sie seither Riesenschritte in ihrer Entwicklung als Schriftsteller vollzogen haben. Das ist nur verständlich, denn natürlich würden wir am liebsten die Zeit zurückdrehen und alles noch einmal besser schreiben.
Aber in meinem Herzen haben diese mit so vielen Schwächen behafteten, manchmal komischen und immer komplizierten Figuren und ihre verrückten und wilden Geschichten einen besonderen Platz. Bis heute denke ich an sie und hege selbst für die finsteren unter ihnen zärtliche Gefühle. Die Arbeit an jedem einzelnen dieser Bücher war mir ein Vergnügen, und ich hoffe, Sie genießen die Zeit mit den folgenden Seiten so sehr wie ich. Vielen Dank fürs Lesen.
EINS
L ydia Strong lief. Sie lief, bis sie Krämpfe bekam und ihre Lunge brannte. Sie lief, bis sie nicht mehr konnte, und dann noch ein Stückchen weiter. Sie lief, als müsste sie sich etwas beweisen, als käme sie lieber um, als aufzugeben. Sie lief die Einfahrt an ihrem Haus hinunter, das am Fuß des Sangre-de-Cristo-Gebirges nördlich von Santa Fe stand, und über den steinigen, unbefestigten Weg, der bis zur Kirche des Ortes Angel Fire führte.
Wenn sie lief, war sie woanders und fand zu sich selbst. Sie ließ ihre Ängste und Zweifel hinter
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