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Die Verwirrungen des Zöglings Törleß

Die Verwirrungen des Zöglings Törleß

Titel: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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Reiting, dem offenbar diesmal daran lag, keine unnötigen Schwierigkeiten zu haben, »aber du warst gerade nicht zu finden und wir rechneten auf deine Zustimmung. Was sagst du übrigens zu Basini?« (Kein Wort der Entschuldigung, so als ob sich sein eigenes Verhalten von selbst verstünde.)
    »Was ich dazu sage? Nun, er ist ein gemeiner Mensch«, antwortete Törleß verlegen.
    »Nicht wahr? Sehr gemein.«
    »Aber du läßt dich auch in schöne Dinge ein!« Und Törleß lächelte etwas erzwungen, denn er schämte sich, daß er Reiting nicht heftiger zürne.
    »Ich?« Reiting zuckte mit den Schultern. »Was ist weiter dabei? Man muß alles mitgemacht haben, und wenn er nun einmal so dumm und so niederträchtig ist ...«
    »Hast du seither schon mit ihm gesprochen?« mischte sich nun Beineberg ein.
    »Ja; er war gestern am Abend bei mir und bat mich um Geld, da er wieder Schulden hat, die er nicht zahlen kann.«
    »Hast du es ihm schon gegeben?«
    »Nein, noch nicht.«
    »Das ist sehr gut«, meinte Beineberg, »da haben wir ja gleich die gesuchte Gelegenheit, ihn zu packen. Du könntest ihn für heute abend irgendwohin bestellen.«
    »Wohin? In die Kammer?«
    »Ich denke nein, denn von der hat er vorderhand noch nichts zu wissen. Aber befiehl ihm, auf den Boden zu kommen, wo du damals mit ihm warst.«
    »Für wieviel Uhr?«
    »Sagen wir ... elf.«
    »Gut. – Willst du noch etwas spazieren gehen?«
    »Ja. Törleß wird wohl noch zu tun haben, was?«
    Törleß hatte zwar nichts mehr zu arbeiten, aber er fühlte, daß die beiden noch etwas miteinander gemein hatten, das sie ihm verheimlichen wollten. Er ärgerte sich über seine Steifheit, die ihn abhielt, sich dazwischen zu drängen.
    So sah er ihnen eifersüchtig nach und stellte sich alles mögliche vor, was sie vielleicht heimlich verabreden könnten.
    Dabei fiel ihm auf, welche Harmlosigkeit und Liebenswürdigkeit in dem aufrechten, biegsamen Gange Reitings lag; – geradeso wie in seinen Worten. Und dem entgegen versuchte er sich ihn vorzustellen, wie er an jenem Abende gewesen sein mußte; das Innerliche, Seelische davon. Das mußte wie ein langes, langsames Sinken zweierineinander verbissener Seelen gewesen sein und dann eine Tiefe wie in einem unterirdischen Reich; – dazwischen ein Augenblick, in dem die Geräusche der Welt, oben, weit oben, lautlos wurden und verlöschten.
    Kann denn ein Mensch nach etwas Derartigem wieder so vergnügt und leicht sein? Sicher bedeutete es ihm nicht so viel. Törleß hätte ihn so gerne gefragt. Und statt dessen hatte er ihn nun in einer kindischen Scheu diesem spinnenhaften Beineberg überlassen!
     
    Um dreiviertel elf Uhr sah Törleß, daß Beineberg und Reiting aus ihren Betten schlüpften, und zog sich gleichfalls an.
    »Pst! – so warte doch. Das fällt ja auf, wenn wir alle drei zugleich weggehen.«
    Törleß versteckte sich wieder unter seine Decke.
    Auf dem Gange vereinigten sie sich dann und stiegen mit der gewohnten Vorsicht den Bodenaufgang hinan.
    »Wo ist Basini?« fragte Törleß.
    »Er kommt von der anderen Seite; Reiting hat ihm den Schlüssel dazu gegeben.«
    Sie blieben die ganze Zeit über im Dunkeln. Erst oben, vor der großen, eisernen Türe, zündete Beineberg seine kleine Blendlaterne an.
    Das Schloß leistete Widerstand. Es saß durch eine jahrelange Ruhe fest und wollte dem Nachschlüssel nicht gehorchen. Endlich schlug es mit einem harten Laut zurück; der schwere Flügel rieb widerstrebend im Roste der Angeln und gab zögernd nach.
    Aus dem Bodenraume schlug eine warme, abgestandene Luft heraus, wie die kleiner Treibhäuser.
    Beineberg schloß die Türe wieder zu.
    Sie stiegen die kleine hölzerne Treppe hinab und kauerten sich neben einem mächtigen Querbalken nieder.
    Zu ihrer Seite standen riesige Wasserbottiche, welche bei dem Ausbruche eines Brandes den Löscharbeiten dienen sollten. Das Wasser darin war offenbar schon lange nicht erneuert worden und verbreitete einen süßlichen Geruch.
    Überhaupt war die ganze Umgebung äußerst beklemmend: Die Hitze unter dem Dach, die schlechte Luft und das Gewirre der mächtigen Balken, die teils nach oben zu sich im Dunkel verloren, teils in einem gespenstigen Netzwerk am Boden hinkrochen.
    Beineberg blendete die Laterne ab, und sie saßen, ohne ein Wort zu reden, regungslos in der Finsternis – durch lange Minuten.
    Da knarrte am entgegengesetzten Ende im Dunkeln die Tür. Leiseund zögernd. Das war ein Geräusch, welches das Herz bis zum Halse hinauf

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