Die Vinetaner - Rusana
eingeschlafen? Die Handschellen, die die Verrückte aus ihrer Handtasche hervorzog, würden jedenfalls dafür sprechen.
Egal, ob Halluzination oder Albtraum, Handschellen kamen nicht infrage. Äußerst motiviert, den stechenden Schmerz im Rücken sowie seinen Luftmangel ignorierend, rollte er sich auf die Seite und drückte sich mit einem Arm hoch, um aufzustehen, doch da war sie schon über ihm. Er hatte keine Chance. Egal, ob er versuchte, sie zurückzustoßen, ihr die Beine wegzutreten, damit sie hinfiel, oder ihr seine Handgelenke zu entziehen - sie war schneller und stärker. Hinzu kam seine Hemmung, eine Frau zu schlagen. Wäre sie ein Mann gewesen, hätte er sich geprügelt, doch so versuchte er nur, sie irgendwie von sich fernzuhalten. Zum Schluss lag er erneut flach auf dem Rücken und seine Hände waren mithilfe der Handschellen hinter seinen Kopf an ein Heizungsrohr im Flur gekettet. Christian war frustriert, denn während er nach Atem rang und sein Herz wild hämmerte, blickte sie lächelnd, und kaum aus der Puste, auf ihn hinunter. Was Chris jedoch völlig verwirrte und an seinen Verstand zweifeln ließ, war, dass er ihr Lächeln auch noch umwerfend fand.
„Wer bist du? Und was hast du eigentlich vor?“
„Mein Name ist Rusana und was ich möchte, erfährst du gleich. Aber zuerst muss ich mich um den Pizzaboten kümmern.“
Rusana ging zu Manuel, der, nur drei Schritte entfernt von ihnen, entrückt ins Nichts blickte.
„Und komm nicht auf die Idee, zu schreien. Das würde euch beiden nicht gut bekommen.“
Schreien? Klar, er könnte um Hilfe rufen, aber Christian bezweifelte, dass das jemand hören würde. Die Haustür war zu - wann hatte die Verrückte die geschlossen? - und die Nachbarn in den anderen Häusern saßen schon längst vor ihren lauten Fernsehern und genossen den Abend. Und ihre Drohung sollte er auch nicht ganz außer Acht lassen. Chris rüttelte an seinen Handschellen und beobachtete, wie Rusana Manuels Schläfen mit den Fingerspitzen berührte.
„Was hast du vor?“
„Ich manipuliere sein Gedächtnis. An mich und die Möchtegerndiebe wird er sich nicht mehr erinnern. Nur an die Auslieferung der Pizza und einen netten Plausch mit dir.“
Sie schloss ihre Augen, konzentrierte sich und ein paar Augenblicke später ließ sie ihre Hände sinken. Christian beobachtete erstaunt, wie Manuel lächelnd die Haustür öffnete, hindurchging und sie hinter sich zuzog. Jetzt war er allein mit der Irren. Super. Obwohl er wusste, dass es sinnlos war, zog und zerrte er an den Handschellen und überlegte fieberhaft, wie er sich aus dieser Misere befreien sollte. Ihr gegen das Schienenbein treten würde wohl auch nicht wirklich was bringen.
„Hör auf, so an den Handschellen zu ziehen. Du tust dir nur weh.“
„Dann mach mich doch einfach los.“
Rusana verschränkte ihre Arme vor der Brust.
„Zuerst möchte ich, dass du mir ein paar Fragen beantwortest.“
„Fragen?“
Rusana nickte. „Fangen wir mit deinem Namen an. Du heißt doch Christian Müller, oder?“
„Warum möchtest du das wissen?“
„Weil ich einen Müller suche, warum denn wohl sonst?“
Langsam wurde Rusana ungeduldig. Ihre Gedankenkontrolle hatte bei ihm nicht gewirkt, also war sie ihrem Ziel vielleicht näher, als sie zu hoffen wagte. Sie wollte Antworten. Hatte sie endlich jemanden gefunden, der Marco von seinem Fluch befreien konnte? Mit einem ungewollten Fauchen in der Stimme wiederholte Rusana ihre Frage:
„Bist du Christian Müller?!“
Statt zu antworten, versuchte Chris trotz seiner gefesselten Hände, sich von ihr wegzubewegen, indem er sich zur entgegengesetzten Seite schob. Rusana sah ein, dass die Faucherei keine gute Taktik war, ihn zum Antworten zu bringen. Kurzerhand stellte sie ihren Fuß in seinen Schritt - und war schockiert über sich selbst. Was tat sie da?
Ihre Maßnahme hatte den Erfolg, dass Christian augenblicklich erstarrte. Mit weit aufgerissenen Augen, in denen Unglaube und Panik standen. Was nicht verwunderlich war. Bis jetzt war Rusana noch keinem Mann begegnet, der nicht besorgt um sein bestes Stück gewesen wäre. Ohne ihren Fuß zu bewegen oder den Druck zu erhöhen, betrachtete sie seinen Oberkörper. Sein offenes Hemd war zur Seite gerutscht und erlaubte einen durchaus sehenswerten Blick auf seinen flachen Bauch und seine Brust, die sich viel zu schnell hob und senkte. Er sah gut aus. Zu gut! Kein Wunder, dass sie ihm jetzt, wo ein Funke Hoffnung in ihr aufloderte, etwas zu nahe trat. Aber
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