Die Violine des Teufels
übrig.«
»Wenn jemand die Geige aus Paganinis Haus gestohlen hat«, mischte Natalia sich ein, »dann hat damit vielleicht der Fluch begonnen.«
»Oder vielleicht war es die Stradivari, die Paganini angeblich mit Saiten aus den Därmen einer Frau bespannt hat, die er selbst ermordet hatte«, fügte Roberto hinzu. »Wie auch immer, es ist jedenfalls nicht normal, dass ihretwegen schon zwei Geigerinnen gestorben sind. Larrazábal hat dir gesagt, ihr Großvater hätte das Instrument 1949 bei einer Auktion in Lissabon erworben, und das ist genau das Jahr, in dem Neveus Flugzeug bei den Azoren abstürzte. Es muss dieselbe Geige sein.«
»Möglich«, räumte Lupot ein. »Aber ich hatte sie ein paar Wochen in meiner Werkstatt, und mir ist nichts passiert. Wartet mal! Das stimmt ja gar nicht! Mein Gehilfe Étienne, der nach mir am meisten mit der Geige zu tun hatte, hat sich damals das Bein gebrochen. Obendrein bei einem völlig unerklärlichen Sturz, in der Werkstatt.«
»Siehst du? Zwei Wochen, und die Geige fing schon an, Probleme zu bereiten«, merkte Roberto an.
»Und dir, Arsène? Dir ist nichts passiert?«, fragte Natalia.
Die Frage gefiel Lupot nicht.
»Mir? Was soll mir schon passiert sein? Ich glaube, solche Flüche treffen einen nur, wenn man wirklich an sie glaubt. Ihr wisst doch: Wenn man eine Situation für real erklärt, hat sie auch reale Auswirkungen. Aber ich bin ein Skeptiker.«
Damit war das Thema offenbar erschöpft, daher erkundigte der Franzose sich nach den Ermittlungen im Fall Larrazábal.
»Der Ermittlungsrichter hat für diesen Fall Geheimhaltung verfügt, und bisher ist nichts an die Presse gedrungen«, teilte sein Freund ihm mit. »Aber über den Abend des Konzerts kann ich dir noch etwas erzählen, lieber Arsène: Natalia und ich haben seitlich im ersten Rang in der ersten Reihe gesessen, gleich oberhalb der Bühne, und etwa fünf Plätze neben uns, ein bisschen weiter vom Orchester entfernt, saß eine Japanerin, von der Natalia meint, es sei Suntori Goto gewesen.«
»Ich bin nicht völlig sicher, weil sie sich ziemlich verhüllt hatte«, erklärte seine Frau, »aber sie muss es gewesen sein. Sie hat sich sehr sonderbar verhalten. Das ganze Konzert über saß sie vorgebeugt da, hatte die Ellbogen auf das Geländer gestützt und Larrazábal durch ein Opernglas beobachtet.«
»Wahrscheinlich hat sie ihren Fingersatz studiert, um ihre Technik zu kopieren«, meinte Lupot. »Und ich gehe jede Wette ein, dass Larrazábal gemerkt hat, dass die Japanerin sie ausspionierte.«
»Wie meinst du das?«, fragten die Eheleute wie aus einem Munde.
»Habt ihr mir nicht erzählt, dass ihr beim Capriccio Nummer 24 die Violine aus der Hand geglitten ist? Das passiert nicht so leicht, es sei denn, man ist so unvernünftig wie ich ein Mal und spielt mit dem Metronom in der Hand, oder irgendetwas erschreckt einen so sehr, dass man kurz die Kontrolle verliert. Falls Larrazábal in der schwierigsten Phase des Capriccio gemerkt hat, dass ihre gefürchtetste Rivalin noch ihre kleinste Bewegung erforschte, um sich die Geheimnisse ihrer Spieltechnik anzueignen, dann ist sie darüber vielleicht mordsmäßig erschrocken – ich finde diese Mutmaßung jedenfalls nicht abwegig. Goto lebt in San Francisco. Wenn sie dann plötzlich in Madrid auftaucht, und einen beim Spielen durchs Opernglas beobachtet, da könnte auch die ausgeglichenste Frau nervös werden. Ihr wisst doch, wie sehr Larrazábal Paganini gleichen wollte, und Paganini war krankhaft auf die Geheimhaltung seiner Technik bedacht. Er hat sein Instrument nie in der Öffentlichkeit gestimmt, und wenn er mit dem Orchester probte, hat er nicht seinen ganzen Part gespielt, damit ihn auch ja niemand plagiieren konnte. Seine Konzerte für Violine wurden ohne den Geigenpart veröffentlicht! Alles nur, um seine Rivalen zu ärgern.«
»Und wenn sie nicht bloß gekommen war, um Larrazábal mit ihrem bösen Blick zu verfluchen?«, fragte Natalia. »Goto ist mit ihrer Guarneri nicht zufrieden und versucht schon seit Jahren, an eine Stradivari zu kommen, aber es wird keine verkauft.«
»Meinst du, sie hat sie getötet, um die Geige zu stehlen?«, fragte Roberto.
»Ja, oder einfach nur, weil sie es satthatte, in Larrazábals Schatten zu stehen.«
»Theoretisch«, räumte Roberto ein, »hätte sie es jedenfalls tun können. »Der Presse zufolge wurde Larrazábal in der Pause stranguliert. Hatten wir die Japanerin während der gesamten Pause im Blick?«
»Nein«,
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