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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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der Scheiben in einem Stück in den Mund.
    »Offenbar hat er Hunger«, bemerkte Natalia, der die Gefräßigkeit ihres Mannes ein wenig peinlich war – innerhalb von Sekunden hatte der sich in eine Art Cromagnonmensch verwandelt, der ein Stück Mammut verschlingt.
    »Ich habe euch auch eine posthum erschienene CD von Ane Larrazábal mitgebracht«, fuhr Lupot fort. »Ich weiß nicht, ob sie in Spanien schon erschienen ist.«
    Er zeigte seinen Freunden die CD, und sie waren sehr beeindruckt von der Auswahl der Stücke wie auch vom Cover der CD. Nachdem Roberto sich die Geige auf dem Foto nochmals genau angesehen hatte, wiederholte er seine Theorie, das Instrument strahle irgendeine negative Energie aus, womit er Lupot zu einer beunruhigenden Überlegung veranlasste.
    »Eine Geige ist auf jeden Fall ein sehr besonderer Gegenstand, und Musiker wissen das am besten, nicht wahr? Wenn eine Geige eine Weile nicht gespielt wird, tritt ein unerklärliches Phänomen auf: Das Instrument verliert an Klangfülle. Dann dauert es Monate, bis es wieder so klingt wie früher. Manchmal kommen Kunden zu mir und beschweren sich, dass die Geige nach irgendeiner Reparatur nicht mehr so klingt wie vorher. Und dann sage ich immer: Sie müssen sie spielen, denn die Geige nimmt wahr, wenn Sie sie nicht spielen und verkümmert nach und nach. Nach all der Zeit, die ich jetzt in diesem Beruf arbeite, kann ich mir dieses Phänomen immer noch nicht erklären. Es ist, als wären Geigen … lebendig.«
    »Nicht nur das«, fügte Roberto hinzu. »Eine Geige nimmt auch wahr, was für eine Art Musiker ihr Besitzer ist. Wenn ein Geiger eine kraftvolle, extrovertierte Spielweise hat, passt das Instrument sich dem an und erzeugt ebenfalls einen kräftigen Klang. Befindet es sich hingegen in den Händen eines Verzagten, wird die Geige ebenfalls verzagen und melancholisch werden.«
    Dann diskutierten sie lange darüber, was für eine Energie die Gegenstände absorbierten und verströmten, und erörterten in aller Ausführlichkeit das Feng-Shui, eine chinesische Form der Geomantie, die auf das Jahr 3000 vor Christus zurückgeht und in der westlichen Welt immer größere Akzeptanz findet.
    »Das Feng-Shui«, sagte Roberto, »beruht darauf, die Energie, die von den Gegenständen und den Personen ausgeht, zu harmonisieren. Wenn wir also das Feng-Shui akzeptieren – und heutzutage wird es von halb Europa akzeptiert –, dann müssen wir auch einräumen, dass es Gegenstände gibt, die eine negative Energie verströmen. Ich glaube, dass die Geige so ein Gegenstand ist.«
    »Allein der Gedanke, dass es Dinge geben könnte, die Unglück anziehen, ist außerordentlich beunruhigend«, erklärte Lupot. »Vielleicht weigere ich mich deshalb, das zu akzeptieren.«
    »Das ist ein großer Fehler«, rief Natalia verärgert aus. »Ich könnte dir aus dem Gedächtnis ein halbes Dutzend verfluchter Gegenstände nennen, von Autos bis hin zu Gemälden, auch Diamanten oder Vasen, die von Hand zu Hand gingen und dabei eine unheimliche Sammlung von Schicksalsschlägen und eine traurige Spur von Leichen hinterlassen haben.«
    »Ich auch«, sagte Roberto. »Da ist der Hope-Diamant, das Auto von James Dean, die Figur des Superman …«
    »Von dem wusste ich nicht«, gab seine Frau zu.
    »Nun, George Reeves, der in den fünfziger Jahren den Superman darstellte, wurde eines schönen Tages in seinem Haus in Beverly Hills tot aufgefunden, mit einer Schusswunde im Kopf. Und was Jahre später aus Christopher Reeve geworden ist, wissen wir alle.«
    Die drei Tischgenossen verstummten erschüttert bei der Erinnerung an das qualvolle Schicksal des Schauspielers. Schließlich sagte Lupot: »Noch beunruhigender als die Möglichkeit, dass Gegenstände Unglück anziehen, ist die Vorstellung, was für Ereignisse dazu führen, dass ein lebloses Ding sich plötzlich mit einer solchen Energie aufladen kann.«
    »Woran denkst du dabei?«, fragte Natalia und klang ein wenig verstört, als ahnte sie, dass die Antwort ihr nicht gefallen würde.
    Lupot erzählte den beiden, dass Ane Larrazábal angenommen hatte, ihre Stradivari habe einmal Paganini gehört, und dass der Geiger in seinem Haus in Nizza verstorben sei, ohne die Beichte abgelegt zu haben.
    »Ich habe keine Ahnung, was am Abend des 27. Mai 1840 in dem Haus da vorgefallen ist, aber ich versichere euch, ich wäre nicht gerne dabei gewesen.«
    »Ich schon«, platzte Roberto heraus. »Ich hatte schon immer etwas für starke Gefühle

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