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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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über meine Ankunft wurden erfüllt.
    Und diejenigen, die mich erkannt haben, denen habe ich mich gegeben, daß sie Söhne Gottes werden; und desgleichen will ich allen tun, die in meinem Namen glauben, und in mir hat sich das Gesetz Moses’ erfüllt.
    Ich bin das Licht und das Leben. Ich bin Alpha und Omega, Anfang und Ende …“
    Fasziniert lauschte Bruder Paul den Worten. Lee hatte zuvor die Rolle von Jesus Menschensohn gespielt, nun spielte er den Gott Jesus. So wirkte er um vieles besser, auch mit dem unvertrauten Text aus dem Buch der Mormonen. Doch Bruder Paul zog doch den Menschensohn vor.
    „Und ihr sollt mir als Opfer ein gebrochenes Herz und einen reuigen Geist geben.“
    Und der Rassismus? Bruder Paul wunderte sich. Wenn nun ein Schwarzer ein gebrochenes Herz und einen reuigen Geist hatte?
    Dann fuhr Jesus mit der Bergpredigt fort, die dem alten Evangelium nach Matthäus entsprach. Dann ernannte er zwölf Jünger und begründete seine Kirche. Es war eine verheißungsvolle Verkündigung.
    Schließlich kehrten Bruder Paul und Jesus in die Alte Welt zurück. Sie betrachteten die sich entwickelnde Geschichte, sahen, wie die christliche Kirche die jüdische Diaspora beeinflußte, die Gegenden, in die die Juden durch Deportation und verschiedene Eroberer verstreut worden waren. Aber während die Missionsbotschaft von Apostel Paulus Fuß faßte, wuchs ihnen eine zunehmende Zahl nicht jüdischer Christen zu. Die jüdischen Christen sahen dies nicht gerne – doch bald waren die Nicht Juden gegenüber den Juden in der Mehrzahl, und schließlich verschwanden die letzteren ganz.
    Jesus schüttelte den Kopf. „Ich weiß kaum, was ich davon halten soll“, sagte er. „Ich habe die Hingebung des einzelnen gepredigt um der Ziele willen, für die wir leben, und nicht um der Mittel, durch die wir leben. Die Zeremonie läßt das Kernstück der Religion außer acht. Ich habe niemals irgendwelche festen Regeln aufgestellt, aber …“
    „Wir sind weit von Galiläa entfernt“, erinnerte ihn Bruder Paul.
    Das waren sie in der Tat! Der Mittelpunkt des Geschehens war nun Rom, und Rom lag in einem Jahrhunderte währenden Kampf mit dem Kaiserreich Persien im Osten. Die Fronten bewegten sich ständig, und eine Zeitlang regierte Rom in Kleinasien, aus dem es seine Sklaven, Soldaten, Gefangene und Kaufleute in die Kaiserliche Hauptstadt importiere. Zusammen mit diesen Menschen erreichten die Römer auch deren Religionen: Mithraismus und der Glaube der Magi, den man später Magie nannte. Sie verehrten die Erde, das Feuer, den Wind, die Sonne und den Mond, und diese Religion wurde vollständig von Menschen beherrscht. Vielleicht verbreitete sich der Mithraismus deswegen nach seiner zweitausendjährigen Ruhe und zeitweiliger Verfolgung in Asien wie ein Buschfeuer im gesamten römischen Reich. Rom hat Persien niemals erobert, aber die persische Religion gab sich alle Mühe, Rom zu erobern. Nur das Christentum stellte einen ernsthaften Konkurrenten dar! Bald wurden die beiden Religionen zu Rivalen um die geistige Oberherrschaft im Reich.
    Für den Mithraismus mit seinem Monotheismus und Zauber sprach eine ganze Menge. Aber die Einstellung gegen die Frau schwächte ihn wiederum. Die Christen behandelten die Frauen schlecht, aber immerhin gestatteten sie ihnen die Teilnahme. Daher verehrte der Mann einer Familie vielleicht Mithra, während seine Frau sich mit der Religion zufriedengab, die sie akzeptierte, mit welchem Groll sie auch immer dies tat. Langsam und unterschwellig gewann das Christentum an Boden.
    Jesus und Bruder Paul standen nun nebeneinander in einem Mithratempel in Rom. Es war eine unterirdische Höhle, nur von einer Fackel beleuchtet. Der Hauptschmuck bestand aus einer Schnitzerei, die eine Stierkampfszene darstellte und leuchtend bunt angemalt war. Es gab mehrere Altäre, von denen einer offensichtlich für die Opferung von Vögeln benutzt wurde. Es gab Steinbänke, auf denen man während der Gottesdienste knien konnte. Die Kirche war klein, aber gut ausgestattet.
    „Das ist heidnisch, aber ich würde es nicht verdammen“, befand Jesus. „Glaube sollte eher eine innerliche Angelegenheit sein denn eine öffentliche Zurschaustellung, und diese kleine Kapelle stellt einen Schritt in die richtige Richtung dar. Ich würde gerne mit diesen Menschen reden und ihnen etwas von mir erzählen …“
    Man hörte ein Geräusch. „Ich glaube, sie kommen“, meinte Bruder Paul.
    Aber es waren keine Gläubigen, die da ankamen.

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