Die Visionen von Tarot
dann verängstigt, aber nach einiger Zeit reagierte sie. Sie begann zu handeln, stellte eine Armee auf und kämpfte gegen die Briten.
Ihr Name lautete Johanna von Orleans.
Jesus und Bruder Paul beobachteten mit zunehmender Verärgerung ihr weiteres Schicksal. „Sie hat versucht, das Wort Gottes zu verbreiten, das ich ihr gegeben habe … und sie haben sie wegen Ketzerei verbrannt!“ rief Jesus.
„Das ist das Wesen der Politik und der Inquisition“, gab Bruder Paul grimmig zurück.
Im weiteren Verlauf der Zeit erblickten sie eine christliche Stadt, die eine neue Schicht auf ihre Stadtmauern häufen wollte, weil diese immer wieder in der weichen Erde nachgab. „Sie wird niemals fest werden, wenn wir nicht ein Opfer darbringen“, sagten die abergläubischen Menschen, und die christlichen Oberhäupter stimmten zu. So legten sie innerhalb der Mauer eine Höhlung an, stellten Tisch und Stuhl hinein und beluden den Tisch mit Spielzeug und Süßigkeiten. Dann brachten sie ein unschuldiges kleines Mädchen in dieses Spielzimmer.
„Oh … oh!“ stöhnte Bruder Paul. Er erkannte das Kind: Carolyn, verlorengegangen, als er die College-Animation hinter sich gelassen hatte. „Das gefällt mir nicht …“
„Wir können nicht eingreifen“, erinnerte ihn Jesus.
Dem Kind gefielen die Sachen außerordentlich. Sie beanspruchten seine gesamte Aufmerksamkeit. Und während das Mädchen fröhlich spielte und vor Freude und Überraschung laute Rufe ausstieß, bedeckten ein Dutzend Maurer lautlos und geschickt die Höhlung und beendeten die Mauer. Die Priester segneten den Vorgang und gingen ihres Weges – und die Mauer stand fest.
„Jesus sah Bruder Paul schockiert an. „Auch das … in meinem Namen?“ fragte er, völlig entsetzt.
„Laß uns das Mädchen da herausholen“, gab Bruder Paul heftig zurück. „Wir können es tun, jetzt, ohne die Geschichte zu verändern.“ Aber Carolyn war bereits wieder aus ihrer Rolle geschlüpft, als sie in der Höhle ankamen. Der Raum war leer.
„Das Zentrum ist leer …“ murmelte Bruder Paul, und seine Gedanken nahmen ihren Lauf.
Abrupt drehte sich Jesus zu ihm um. „Ich habe zu meinem Vater gebetet, mich bei diesem Problem zu erleuchten. Ich erkenne, daß mein Opfer der Welt nicht die Erlösung gebracht hat, und daher wurde ich bei meinem Tod nicht in den Himmel gelassen. Die Sünden der Welt gehen weiter und beschmutzen den Namen meines Vaters und den meinen. Aber es gibt auch Gutes in der Welt, wie es auch in der Stadt Sodom Gutes gab. Ich kann nicht ableugnen, daß du ein guter Mensch bist und auch aufrichtig; ich muß dir daher glauben, wenn du mir sagst, du seist ein Kind Kains. Wie kann es bei einer verfluchten Rasse ein gutes Mitglied geben? Ich habe Gott um die Lösung dieses Paradoxons gebeten – und er hat mein Gebet erhört.“
Bruder Paul schwieg, unsicher, was nun folgen würde. War dies das Stadium des Feilschens mit Gott um eine Korrektur, die für diesen Mann schwieriger war als selbst der Tod? Oder bedeutete es schon Akzeptieren?
„Es ist wahr, du bist verdammt“, fuhr Jesus fort. „Aber nur ein Achtel von dir ist schuldig. Sieben Achtel sind unschuldig, und diesen Teil habe ich als Freund kennengelernt. Es ist, als seist du von einem Dämon besessen. Da du aber mit diesem Dämonen geboren bist, kann man ihn nicht exorzieren … aber ich kann nicht zulassen, daß auch das Gute in dir wegen des schlechten Teils mit in die Hölle fährt. Aber ich weiß auch, daß man Gutes nicht von Bösem trennen kann; beides ist in dir. Einen gewöhnlichen Dämonen könnte ich vertreiben, auch ein gewöhnliches Leiden heilen oder eine gewöhnliche Sünde vergeben. Aber ich kann einem Sohn Kains keinen Platz im Himmel gewähren. Es liegt jenseits der Macht des Sohnes, ein Urteil des Vaters rückgängig zu machen.“
Jesu Augen schienen zu glühen. „Aber ich kann dich retten“, sagte er. „Ich brauche nur deine Sündenlast auf mich zu nehmen. Ich muß zur Hölle fahren … damit du in den Himmel kannst. Um der Freundschaft willen und des Guten, welches in dir steckt. Oh, einsamer Mensch von Sodom, ich tue dies gern. Das ist mein Handel mit Gott.“
Bruder Paul verstand den Kontext – ein einziger guter Mensch in einer schlechten Umwelt –, aber er wünschte sich, Jesus hätte nicht ‚Sodom’ für diese Allegorie gewählt. Das Wort Sodomie hatte hier seinen Ursprung, und diese vorherige Szene mit Therion …
„Die Entscheidung ist unwiderruflich“, fuhr
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