Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
Vom Netzwerk:
bereits spuckende Lampe erlosch?
    Immer weiter. Knie und Ellenbogen wurden wund, bluteten vielleicht schon, aber er konnte nicht anhalten. Nervosität ließ ihn keine Rast machen. Er nahm die Lampe abwechselnd von einer Hand in die andere und probierte verschiedene Kriechmethoden aus – und kroch immer weiter.
    Schließlich verbreiterte sich der Tunnel. Welche Erleichterung! Er erhob sich eine Weile auf Hände und Knie und ging dann gebückt weiter. Aber der Boden neigte sich immer noch abwärts. Der zusätzliche Raum wurde gewonnen, indem der Boden von der eben verlaufenden Decke nach unten führte. Er kam nicht dichter an die Oberfläche.
    Unvermittelt brach der Boden vor ihm ab. Das schwache Lampenlicht beleuchtete einen unergründlich tiefen Krater, einen Kegel, der sich tief in den Felsen bohrte, dessen Seitenwände glitschig und hart aussahen. Dort, wo der Tunnel abbrach, wurde der Weg durch eine eiserne Leiter fortgesetzt, die in diese düstere Höhlung hinabführte. Es gab keinen anderen Weg, nur über die Leiter konnte er voranschreiten oder besser gesagt: hinabsteigen. Nun hatte er genügend Platz, sich umzudrehen, war sich aber sicher, daß die Rückkehr in den Tunnel keine kluge Entscheidung wäre.
    Er begann, die Leiter hinabzusteigen, und tastete nervös jede Sprosse auf ihre Belastbarkeit hin ab, ehe er sein volles Gewicht darauf verlagerte. Doch alle hielten stand. Und natürlich zählte er sie: zehn, zwanzig, dreißig, immer weiter.
    Es waren genau hundert Stufen. Aber die Leiter führte nicht auf eine andere Ebene oder einen hinabführenden Gang, sondern endete in einem kreisrunden Loch. Bruder Paul hatte nicht vor, sich versuchsweise hinabfallen zu lassen, aber er war sich sicher, dies war ein Verlies, ein tödlich tiefer Abgrund ohne Ausgang. Hier galt es, mißtrauisch zu sein.
    Aber sonst gab es keinen Weg. Was nun?
    Gott zwischen mir und dem Leid an allen menschenleeren Orten. Ich muß weitergehen, dachte er und starrte in die Tiefe. Möge es von jenen menschenleeren Orten viele breite Fluchtwege geben!
    Bruder Paul überdachte seine Lage. Es mußte eine Alternative geben. Dieser Rahmen war zu aufwendig, um einfach nur eine Todesfalle zu sein. Daran mußte er fest glauben. Alles, was er zu tun hatte, war, die andere Möglichkeit herauszufinden. Die Leiter führte hinab und endete hier. Eine verborgene Fortsetzung kam nicht in Frage, denn die letzte Sprosse hing in der feuchten Luft oberhalb der Grube. Aber er konnte noch weitersehen.
    Er stieg hinab, hing dann beide Beine um die unterste Sprosse, indem er die Knie darum hakte. Zweimal hopste er, so fest es ging, darauf, um die Belastbarkeit zu überprüfen, doch die Leiter hielt stand. Er lehnte sich zurück, wobei er die Lampe vorsichtig über sich hielt, und ließ den Oberkörper herumschwingen, bis er kopfüber nach unten an den Knien hing. Sein Kopf fuhr durch das Loch, und die Lampe beschien den Raum dahinter. Die Wände sahen glitschig aus, und es gab keine zweite Leiter, auf der er den Weg hätte fortsetzen können. Das war eine Einbahnstraße – wahrscheinlich am unteren Ende mit Wasser gefüllt. Vielleicht würde die Flüssigkeit seinen Sturz mildern, aber das zu riskieren wagte er sich nicht. Noch nicht.
    Man hatte ihm mehr oder minder zu verstehen gegeben, daß er nichts zu fürchten habe außer sich selbst. Nun kam ihm in den Sinn, daß man dies auch auf höchst beunruhigende Weise auslegen konnte. Wenn er sich entschloß, sich in den Abgrund fallen zu lassen, und das stellte sich als Irrtum heraus, würde er sich selber umgebracht haben. Er mußte die richtige Entscheidung treffen – ohne ausreichend informiert zu sein.
    Nun, auf dieser Leiter brauchte er auch nicht zu bleiben! Er umklammerte mit der Linken die letzte Sprosse, hielt die Lampe mit der Rechten und zog sich hoch, bis er die Füße ausstrecken konnte. Dann begann er die hundert Stufen wieder hinaufzuklettern.
    Ungefähr zwanzig Stufen weiter oben – zweiundzwanzig, um ganz genau zu sein – sah er in dem Lichtkegel einen Einschnitt. Es war eine Aussparung, die man von oben nicht sehen konnte, weil die obere Wand leicht darüber hing. War dies ein natürlicher oder künstlicher Spalt?
    Er war in puncto Zufällen vorsichtig geworden. Bruder Paul beugte sich so weit wie möglich hinüber, wobei er mit der Linken die Lampe ausstreckte. Dieser Spalt war breit genug, daß sich ein Mensch hindurchzwängen konnte – und drinnen verliefen Stufen! Hier war der andere

Weitere Kostenlose Bücher