Die Visionen von Tarot
dort unten“, meinte er unsicher. Die Zeit drängte!
Sie fuhren hinab, aber dort gab es nur weitere Gänge und weitere Hinweisschilder. „Ich finde mich überhaupt nicht mehr zurecht“, klagte er. Lieber würde er sich in einem Wald verirren.
Er ging zu einem Eincheckschalter und fragte nach der Richtung, während sich Carolyn auf der großen Waage wog. Ungeduldig wartete er, bis ein Passagier abgefertigt wurde. Schließlich konnte Paul sein Problem darlegen, und das Mädchen hinter dem Schalter zeigte ihm den Weg zur richtigen Wartehalle.
„Alles klar, Carolyn“, meinte er tröstend. „Jetzt wissen wir den richtigen Weg.“
Seine Tochter gab keine Antwort. Verärgert wandte er sich um – sie war fort.
Sie war wohl bei ihrer kurzen Aufmerksamkeitsspanne die Waage leid geworden und weitergegangen. Nun waren sie voneinander getrennt, und sie war irgendwo in dieser vorbeieilenden Menschenmenge verlorengegangen. Mit äußerster Sorge suchte er nach ihr. „Carolyn!“
Er konnte sie nicht finden. Die Leute eilten einfach vorbei, jeder seinen eigenen Interessen nachgehend. Die meisten waren erwachsen. Kinder sah man selten. Paul sah ein Kind die Halle hinab auf die Tür zulaufen. Er rannte hinterher. „Carolyn!“
Das Mädchen drehte sich um. Neugierig starrte ihn ein fremdes Kind an. Verlegen eilte Paul an ihm vorbei, als habe er jemand anderen gerufen.
Vielleicht war sie auf eine Toilette gegangen. Ja – eigentlich konnte sie an keinem Springbrunnen oder Waschraum vorbeigehen, ohne alles auszuprobieren.
Er machte sich auf den Weg zurück und suchte einen Waschraum. Zudem war er besorgt, daß dort drinnen vielleicht irgendein Perverser auf kleine Mädchen lauerte. Aber er konnte ja nicht auf die Damentoilette, um selbst nachzusehen.
Eine junge Frau kam hinzu. „Entschuldigen Sie“, sagte Paul, „würden Sie bitte …“ Unter ihrem Blick verstummte er. Sie wandte sich abrupt um und ging weiter.
„Carolyn“, rief er laut. „Bist du da drin?“
Keine Antwort. Er konnte nicht sicher sein, ob sie sich nun in diesem Raum befand.
Zielstrebig näherte sich ein offiziell aussehender Mann. Paul wußte, daß die Frau sich wohl beschwert hatte. Nun würde man ihn wegen unanständigen Betragens einsperren. Er ging weiter.
Schritte folgten ihm. Paul beeilte sich. Wenn man ihn nun einsperrte, würde er seine Tochter nie wiederfinden!
Sie hatte sich in jener Nacht im College um ihn Sorgen gemacht. Jetzt wußte er genau, was sie durchgemacht hatte.
Wieder kam er zum Ausgang. War sie das da draußen auf der Straße und hielt nach ihm Ausschau? „Carolyn?“ schrie er und stürzte hinaus.
Das kleine Mädchen trat vom Randstein. Eine Hupe ertönte, Räder quietschten.
„ CAROLYN !“ schrie Paul und sprang los.
Man hörte einen Aufprall.
VII Ehre Trumpf 15
Ein Großteil der alten Interpretationen der mosaischen Gesetze – ja, der Notwendigkeit für Gesetze überhaupt – stützte sich auf das Bedürfnis nach größeren und stärkeren Stämmen. Die Vorschrift, Frauen seien während der fünftägigen Menstruation und sieben Tage danach unsauber und unberührbar (Leviticus 15) beruhte zweifelsohne auf der Tatsache, daß man diese zwölf Tage allgemein als ungünstig für eine Empfängnis betrachtete (und heute noch betrachtet). Daher sollte der Mann nicht seinen Samen verschwenden, denn sonst würde Gott ihn dafür strafen, weil er nicht das seine zur Stärkung des Stammes beigetragen hatte. Es scheint auch, daß die Gesetze, die Sodomie und männliche Homosexualität unter Strafe stellen, sowie das Urteil, diese Handlungen unter Männern seien viel tadelnswerter, als wenn es um Frauen ging, auf dem Bedürfnis beruhten, keinen wertvollen Samen zu vergeuden und damit vielleicht das Wachstum des Stammes zu hindern. Da beim Lesbiertum kein Samen verlorengeht, hat sich auch kein so starres Verbot dagegen entwickelt wie bei der männlichen Homosexualität …
Entgegen der landläufigen Annahme hat Jesus Christus selbst wenig über die Sexualität gelehrt. Der überwiegende Teil der Vorschriften für das Sexualverhalten, die man mit dem Christentum in Verbindung bringt und ihm zuschreibt, sind eigentlich Auswüchse der Gedanken und Schriften späterer christlicher Theologen, und der Kern dieser Moraltheologie wurde lange nach Jesu Tod verkündet. Paulus war vermutlich der erste Christ, der gesondert über die Sexualmoral sprach. Er betonte die Notwendigkeit der Ehe als ein Mittel, Unzucht zu
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