rank und schlank und rattenscharf
Timekeeper
Irgendwann fand ich auf meinem Schreibtisch unter einem großen Stapel Papier ein kleines Buch mit der Aufschrift „Timekeeper 2002.“ Ich nahm es in die Hand und wunderte mich über dieses Buch. Ich hatte es vorher noch nie gesehen. — Wo kommt dieses Buch denn her? Es war ein christlicher Taschenkalender.
Ich blätterte darin rum und fing an zu lesen, kleine interessante Geschichten, und fand ihn zu schade zum wegschmeißen. Vielleicht gut so, ich kann mich schlecht von Dingen trennen. Fast immer bücke ich mich, um herumliegende Schrauben auf den Baustellen aufzusammeln, bevor sie im Müll landen. Deshalb beschloss ich, dieses kleine Buch auf meinen Nachttisch zu legen um irgendwann noch mal rein zu schauen.
Ich bin kein leidenschaftlicher Leser, und trotzdem las ich an den darauf folgenden Tagen in diesem Buch. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass viele Geschichten mich direkt berührten, sogar persönlich für mich geschrieben wurden. Ich fing an, über dieses Buch und dessen Inhalt intensiv nachzudenken.
Schon nach kurzer Zeit war ich der Meinung, das sollten auch noch andere Menschen tun. Da das Jahr fast um war und es nur Sinn machte, einen neuen Kalender zu verschenken, schrieb ich zum CSV Verlag und bestellte gleich fünfzig Exemplare fürs nächste Jahr. Da ich gar nicht erst nachfragte, wie teuer die Dinger sind, war ich bei der Lieferung über deren Preis ein wenig erstaunt: Für jeden Kalender berechneten sie mir fünf D-Mark. Da war ich aber froh, dass ich nicht gleich hundert bestellt hatte!
Also machte ich mich sofort ans Werk, die Timekeeper unters Volk zu bringen; eine gewisse Reihenfolge galt es dabei aus meiner Sicht einzuhalten. Meine Nächsten waren mir die Wichtigsten: Eltern, Bruder Schwiegermutter, dann folgten gute Freunde, später nette Kunden, und bald waren alle verteilt.
Ein Exemplar hatte ich noch. Diesen Timekeeper wollte ich einer Kundin schenken und machte mir vorher schon Gedanken darüber, wie sie es aufnehmen würde. Bei keinem anderen kamen mir Zweifel, warum diesmal?
Sie war ein wenig überrascht, als ich zu ihr sagte: „ Warten Sie mal, ich habe noch etwas für Sie.“ Ich holte mein letztes Buch, gab es ihr und wartete auf ihre Reaktion. Sie nahm es an. Sie sagt: „Danke“ und warf einen flüchtigen Blick auf die Vorderseite. „Christlicher Kalender mit der Bibel. Damit kann ich überhaupt nichts anfangen.“ Sie wollte es mir wieder zurückgeben. „Behalten sie es ruhig, sie können es, wenn sie wollen, jemand anderem geben.“ Sie behielt es.
Ich bin mir sicher, dieses kleine Buch hat bei mir einen Stein ins Rollen gebracht, der bewegungslos da lag. Wie dieses Buch auf meinen Schreibtisch kam, weiß ich bis heute nicht. Vielleicht hat es mir jemand geschenkt und ich habe es mit dem gleichen Interesse entgegen genommen wie diese Frau.
Zufall?
Es ist Montagmorgen, noch dunkel, richtiges Novemberwetter. Ich hasse Tage wie diesen, wenn ich morgens bei Regen meine Farbeimer, Leitern und Werkzeug in die Häuser tragen muss. Die meisten Büros sind bereits hell erleuchtet und über die Flure laufen die ersten Angestellten oder stehen eng beieinander und unterhalten sich. Die meisten kennen mich bereits seit Jahren. „Guten Morgen, das ist ja heute ein Sauwetter.“ — „Schlimm.“
Heute muss ich mit der Renovierung im Büro des Seniorchefs anfangen, und das wird einige Tage dauern. Zusammen mit meinem Azubi habe ich alle Sachen ins Gebäude geschafft. Gerade, dass ich mit der Arbeit beginnen will, nehme ich einen unangenehmen Geruch war. Irgendetwas stinkt hier erbärmlich. Es riecht nach Käsemauken. Abermals atme ich durch die Nase tief ein und stelle fest, dass dieser Gestank von meinen Füßen stammt. Ach du liebes bisschen, das fehlt mir gerade noch. Boh, wie peinlich, und das am frühen Morgen! Das ist doch nicht möglich, so haben meine Füße seit meiner Bundeswehrzeit nicht mehr gestunken! Wieso denn auf einmal solche Stinkefüße? Was soll ich denn jetzt machen? — Da gibt es nur drei Möglichkeiten: Erstens, ich tue einfach so, als merke ich nichts und fange an zu arbeiten. Die vielleicht einfachste Lösung, aber ich weiß nicht. Zweitens, ich fahre noch mal nach Hause, wasche meine Füße und ziehe mir frische Socken an. Das dauert mindestens eine Stunde. Was soll der Lehrling die ganze Zeit allein hier machen? Die dritte Möglichkeit ist die wahrscheinlich naheliegendste, die mir in diesem Moment einfällt: Am
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