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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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könnte man den gemeinen Mann erreichen, den man ansonsten nie erreicht.“
    „Darüber muß ich nachdenken“, sagte Jesus. „Ich kenne die Schrift gut, und ich kenne auch das einfache Leben. Wenn man diese beiden vereinigen könnte, die Religion und die Realität …“
    „Dann hören vielleicht viele Leute zu“, beendete Bruder Paul den Satz für ihn. „Und sie verstehen es. Und es nützt ihnen. Weil zum ersten Mal ein Lehrer ihre Sprache spricht, anstatt augenscheinlich das Wort Gottes vor ihnen zu verbergen.“
    „Doch die Hohepriester vom Tempel werden es nicht erlauben.“
    „Warum im Tempel bleiben? In meinem Land nennt man diejenigen, die sich weigern, ihre Kenntnis der realen Welt mitzuteilen, ‚Elfenbeinturmgelehrte’. Es ist, als seien sie in ihre Türme aus gebleichten Knochen eingesperrt, die sie selber gefertigt haben, die vielleicht hübsch zu bewohnen sind … aber mit den praktischen Aspekten des Lebens nicht mehr viel zu tun haben. Deine Botschaft gehört hinaus auf Feld und Wald und Meer, wo die Menschen leben.“
    Jesus nickte. „Die Botschaft unter das Volk bringen …“
    Bruder Paul entkleidete sich und ging hinab zu dem Teich. Am Ufer blieb er stehen, drehte sich um und wartete auf Jesus.
    Die beiden nackten Männer starrten einander an. „Du bist ja ein Nicht-Jude?“ rief Jesus erschrocken.
    „Und du …“ begann Bruder Paul, konnte jedoch nicht weiterreden. Denn Jesu Geschlechtsorgan war sonderbar verändert. Sogleich bemühte sich Bruder Paul, seine Reaktion zu verbergen. „Ja, ich bin kein Jude. Ich bin nie beschnitten worden. Aber ich ehre viele der Dinge, die du verehrst, und darunter auch die Schrift.“
    „Aber du stehst außerhalb des Glaubens!“
    Bruder Paul lächelte. „Ist es nicht für einen Menschen möglich, außerhalb des Glaubens zu stehen – ja, auch Heide zu sein – und dennoch ein wertvoller Mensch? Beginnen nicht einige, zum Beispiel die Samariter, als Heiden und suchen dennoch die Erleuchtung?“
    Jesus dachte nach, dann nickte er. „Ja, gewiß. Es gibt Menschen, die wandeln in der Finsternis und sehen dann ein großes Licht. Es sind gute Menschen, die nur der Führung bedürfen. Vielleicht auch die Samariter.“ Er zog eine Grimasse. „Wenn es nur eine passende Anleitung gäbe! Die Schriftgelehrten sind zu Heuchlern geworden, die im Tempel Vergünstigungen verkaufen und Schriftsprüche verkünden, die sie weder begreifen noch danach handeln.“
    „Das ist unglücklich“, meinte Bruder Paul. Jesus erkannte das Problem genau, schien aber zur Zeit nicht vorzuhaben, selber irgend etwas dagegen zu tun. Wo war der göttliche Funke? „Jemand sollte hingehen, und sie auf ihren Irrtum aufmerksam machen.“
    „Jemand sollte hingehen und die Händler und Diebe vertreiben und die Tische der Wechsler umstoßen“, rief Jesus heftig aus. „Der Tempel ist der Ort des Gebets und nicht der Geschäfte!“ Doch nach einem Augenblick regte er sich wieder ab und blickte an sich herab. „Was mich betrifft … ich wurde in einem Stall geboren, und einige meinen, das spiegele sich in meinen Manieren wider.“
    „Und ich wurde in einer Scheune erzogen“, warf Bruder Paul ein.
    Jesus lächelte und fuhr fort: „Das war in Betlehem, in Judäa, denn meine Familie mußte wegen Volkszählung dorthin gehen, wegen der Steuer. Dann fürchteten sie um mein Leben, denn dem bösen Herodes hatte man erzählt, ein neuer König sei geboren, und er fürchtete seine Absetzung und ließ alle kleinen Kinder umbringen. Es war nur ein Gerücht von irgendwelchen fremden Astrologen, die eine ungewöhnliche Konstellation von Jupiter, Saturn und Mars beobachtet hatten – was normale Leute gar nicht bemerken, aber als einer, der in manch einer klaren Nacht die Sterne beobachtet hat, kann ich dir versichern, daß diese drei niemals so dicht zusammenkommen. Daher wäre es schon erstaunlich, wenn alles stimmte. Aber Herodes hat es ganz schön in Aufregung versetzt. Die Römer nahmen die Sache auf die leichte Schulter, und am Ende wurden nur sehr wenige Kinder getötet, aber meine Familie war doch sehr beunruhigt und mußte deswegen rasch nach Ägypten ziehen. Für meine Beschneidung konnten sie nicht die entsprechenden Vorkehrungen treffen, doch es mußte am achten Tag sein. Das Messer rutschte zu tief, und es gab eine Infektion, und unterwegs konnten sie nicht viel dagegen tun. Daher …“ Er hob den beschädigten Penis einen Moment lang hoch, um die dicke Narbe darauf zu zeigen sowie die

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