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Die volle Wahrheit

Die volle Wahrheit

Titel: Die volle Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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wol ten, damit sie sich besser fühlten. Dazu schien es nötig zu
    sein, ihnen das Fel zu färben und zu schwören, sie seit mindestens zwei
    Jahren zu besitzen.
    William näherte sich jemandem, der nicht mit irgendwelchen krimi-
    nel en Aktivitäten beschäftigt war.
    »Entsch…«, begann er, aber die Augen des Bürgers hatten das Notiz-
    buch entdeckt.
    »Ich habe al es gesehen«, sagte er.
    »Tatsächlich?«
    »Es war ein schreck-licher Anblick«, sagte der Mann mit Diktierge-
    schwindigkeit. »Aber der Wäch-ter machte einen todes-verachtenden
    Sprung, um die Alte zu ret-ten, und er ver-dient eine Me-daille.«
    »Wirklich?«, fragte William und schrieb schnell. »Und du bist…«
    »Sa-muel Arblaster, 43, Steinmetz, Rennerei Nummer elf«, sagte der
    Mann.
    »Ich hab’s ebenfal s gesehen«, sagte eine neben dem Mann stehende
    Frau mit Nachdruck. »Frau Florrie Perry, Mutter von drei Kindern,
    Tolle Schwestern. Es war ein wüstes Durch-einander.«
    William riskierte einen Blick auf seinen Stift. Er war eine Art Zauber-stab.
    »Wo ist der Ikonograph?«, fragte Frau Perry und sah sich hoffnungs-
    voll um.
    »Äh… noch nicht hier«, sagte William.
    »Oh.« Sie wirkte enttäuscht. »Schade um die arme Frau mit der
    Schlange. Ich vermute, er fertigt Bilder von ihr an.«
    »Äh… ich hoffe nicht«, sagte William.
    Es war ein langer Nachmittag. Ein Fass war in einen Friseurladen ge-
    rollt und dort geplatzt. Einige Leute von der Brauerei erschienen, und
    es kam zu Auseinandersetzungen mit den neuen Besitzern der Fässer,
    die Bergungslohn beanspruchten. Ein unternehmungslustiger Mann
    hatte ein Fass am Straßenrand angezapft und eine Kneipe improvisiert.
    Otto traf ein. Er machte Bilder von den Bierfass-Rettern. Er machte
    Bilder vom Kampf. Er machte Bilder von den Wächtern, als sie al e
    verhafteten, die noch auf den Beinen standen. Er machte Bilder von der
    weißhaarigen Alten, dem stolzen Hauptmann Karotte und in seiner
    Aufregung auch vom eigenen Daumen.
    Es war eine ziemlich gute Geschichte, und William hatte seinen Teil
    davon im Büro der Times zur Hälfte niedergeschrieben, als ihm plötzlich etwas einfiel.
    Er hatte beobachtet, wie al es geschah. Und er hatte sein Notizbuch hervorgeholt. Das sei besorgniserregend, teilte er Sacharissa mit.
    »Warum denn?«, fragte sie von ihrer Seite des Schreibtischs. »Mit wie
    vielen ls schreibt man ›galant‹?«
    »Eins genügt«, sagte William. »Ich meine, ich habe nicht einmal ver-
    sucht, in das Geschehen einzugreifen. Ich dachte nur: Dies müssen wir in der Zeitung bringen.«
    »Ja«, meinte Sacharissa und beugte sich über ihren Text. »Wir sind auf
    ganz besondere Art unter Druck geraten.«
    »Aber…«
    »Sieh die Sache einmal so«, sagte Sacharissa und begann mit einer
    neuen Seite. »Manche Leute sind Helden. Andere schreiben Dinge auf.«
    »Ja, aber das ist nicht sehr…«
    Sacharissa hob den Kopf, sah William an und lächelte. »Manchmal
    handelt es sich um die gleiche Person.«
    Diesmal senkte William bescheiden den Blick.
    »Hältst du das wirklich für wahr?«, fragte er.
    Sacharissa zuckte mit den Schultern. »Ob ich es wirklich für wahr hal-
    te? Wer weiß? Dies ist eine Zeitung. Es braucht nur bis morgen wahr zu
    sein.«
    William glaubte zu spüren, wie es wärmer wurde. Sacharissas Lächeln
    war sehr attraktiv. »Bist du… sicher?«
    »Oh, ja. Wahr bis morgen – das genügt mir.«
    Und hinter ihr wartete der große schwarze Vampir der Druckerpresse
    darauf, gefüttert zu werden. In finsterer Nacht wol te sie zum Leben
    erweckt werden, für das Licht des Morgens. Sie zerhackte die Komple-
    xitäten der Welt in kleine Geschichten, und sie war immer hungrig.
    Und sie brauchte einen zweispaltigen Artikel für die zweite Seite, er-
    innerte sich William.
    Und einige Zentimeter unter seiner Hand fraß sich ein Holzwurm zufrieden durch das alte Holz. Die Reinkarnation findet an einem Scherz ebenso großen Gefal en wie die nächste philosophische Hypothese. Beim Kauen dachte der Holzwurm: »Dies ist …t gutes Holz!«
    Denn nichts muss für immer wahr sein. Nur lange genug, um die Wahrheit zu erzählen.

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