Die volle Wahrheit
sich. »Herr Pirsch hat eine Mitteilung ge-
schickt«, sagte er. »Offenbar ist er krank.«
William holte sein Notizbuch hervor.
Es fing sofort die Aufmerksamkeit der Gildenrepräsentanten ein. Wil-
liam zögerte. Und dann löste sich die Unsicherheit plötzlich auf. Ich bin
ein de Worde, dachte er. Wagt es bloß nicht, auf mich herabzublicken.
Sonst zahle ich es euch mit der Times heim. Los geht’s…
»Hat seine Mutter unterschrieben?«, fragte er.
»Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte der Anwalt, aber einige Gil-
denoberhäupter drehten den Kopf zur Seite.
»Was geschieht jetzt?«, fragte William. »Gibt es niemanden, der die
Stadt regiert?«
»Glücklicherweise«, sagte Schräg wie jemand in einer ganz privaten
Höl e, »geht es Lord Vetinari viel besser. Er rechnet damit, seine Pflich-
ten ab morgen wieder wahrnehmen zu können.«
»Entschuldigung, hat er die Erlaubnis, das einfach so aufzuschrei-
ben?«, fragte Lord Witwenmacher, Chef der Assassinengilde, als sich
William Notizen machte.
»Wem seine Erlaubnis?«, fragte Mumm.
»Wessen«, murmelte William.
»Nun, er kann doch nicht einfach al es aufschreiben«, sagte Lord
Witwenmacher. »Angenommen, er schreibt etwas auf, von dem wir gar
nicht wol en, dass er es aufschreibt?«
Mumm sah William fest in die Augen.
»Es gibt kein Gesetz dagegen«, sagte er.
»Lord Vetinari wird also nicht vor Gericht gestellt, Lord Witwenma-
cher?«, fragte William und erwiderte Mumms Blick ein oder zwei Se-
kunden lang.
Witwenmacher wandte sich verwirrt an Schräg.
»Kann er mich das fragen? Darf er mir einfach so eine Frage stellen?«
»Ja, Exzellenz.«
»Muss ich antworten?«
»Unter den gegebenen Umständen ist es eine vernünftige Frage, aber
du musst keine Antwort geben, Exzel enz.«
»Hast du eine Botschaft für die Bürger von Ankh-Morpork?«, fragte
William zuckersüß.
»Haben wir eine, Herr Schräg?«, fragte Lord Witwenmacher.
Herr Schräg seufzte. »Viel eicht wäre es durchaus ratsam, Euer Exzel-
lenz.«
»Na schön, wenn das so ist… Nein, es wird natürlich keinen Prozess
geben.«
»Und Lord Vetinari wird auch nicht begnadigt?«, fragte William.
Lord Witwenmacher sah Herrn Schräg an, der erneut leise seufzte.
»Exzellenz, auch in diesem Fall…«
»Na schön, na schön… Nein, Lord Vetinari wird nicht begnadigt, da
er ganz offensichtlich unschuldig ist«, sagte Lord Witwenmacher ge-
reizt.
»Würdest du sagen, dass sich seine Unschuld aufgrund der ausge-
zeichneten Ermittlungsarbeit von Kommandeur Mumm und seiner
tüchtigen Mitarbeiter erwiesen hat?«, fragte William. »Ich meine Ermitt-
lungen, bei denen die Times einen kleinen Beitrag geleistet hat?«
Verwunderung zeigte sich in Lord Witwenmachers Miene. » Würde ich
das sagen?«
»Ja, Exzellenz, das halte ich für möglich«, sagte Schräg. Seine Stim-
mung verschlechterte sich immer mehr.
»Oh. Gut, ja, dann würde ich das tatsächlich sagen.« Witwenmacher
reckte den Hals, um festzustellen, ob William alles richtig aufschrieb.
Aus dem Augenwinkel sah Wil iam Mumms Gesichtsausdruck. Die
Miene des Kommandeurs zeigte eine sonderbare Mischung aus Erheite-
rung und Ärger.
»Und würdest du als Vertreter des Gildenrates ein offizielles Lob für
Kommandeur Mumm aussprechen?«, fragte William.
»Augenblick mal…«, begann Mumm.
»Ich glaube, das würde ich, ja.«
»Ihr habt vermutlich die Absicht, den Kommandeur mit einer Medail-
le oder einer Auszeichnung zu belohnen.«
»Jetzt hör mal…«, brummte Mumm.
»Ja, das ist sehr wahrscheinlich der Fall«, sagte Lord Witwenmacher,
vom Wind der Veränderung hin und her geworfen.
William schrieb auch das sorgfältig auf und schloss dann sein Notiz-
buch, zur großen Erleichterung der übrigen Anwesenden.
»Vielen Dank, Exzel enz, meine Damen und Herren«, sagte er mun-
ter. »Oh, Herr Mumm… Haben wir irgendetwas zu besprechen?«
»Derzeit nicht«, knurrte Mumm.
»Oh, gut. Dann gehe ich jetzt und schreibe den Artikel. Noch einmal
besten Dank…«
»Du wirst uns den… Artikel natürlich zeigen, bevor du ihn in der Zei-
tung bringst«, sagte Witwenmacher und erholte sich ein wenig.
William trug seinen Hochmut wie einen Mantel. Ȁh, nein. Ich glau-
be, ich werde ihn dir nicht vorher zeigen, Exzellenz. Immerhin ist es
meine Zeitung.«
»Kann er…?«
» Ja, Exzel enz, er kann«, sagte Herr Schräg. »Ich fürchte, das kann er tatsächlich. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist
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