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Die vollkommene Lady

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Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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meintejuliagleichmütig, „besonders wenn
eslhr Ehrgeiz ist, Lufbursche zu werden. Genau weiß ich es ja nicht, aber das
Packettsche Vermögen fällt doch bestimmt an sie.“ Bryan stand auf und ging mit
schnellen Schritten zum Fenster. „Sie wird bestimmt alles verschludern“, sagte
er über seine Schulter, „an diese segensreichen Einrichtungen, von denen Sie so
eingenommen sind.“
    Julia nickte. „Gar nicht
unwahrscheinlich. Wenn sie erst das Geld hat, wird sie sich natürlich noch ganz
anders ihrer Arbeit widmen können.“
    Bryans Finger trommelten aufgeregt und
ungeduldig gegen die Scheibe. „Wenn Sie meine Meinung wissen wollen —“ begann
er schließlich.
    „Will ich aber gar nicht“, sagte Julia.
„Ich habe Ihnen meine Meinung gesagt. Wenn Ihnen etwas noch nicht klar sein
sollte —“. Einen Augenblick darauf knallte die Tür hinter ihm zu.
     
    *
     
    Als man sich mittags zu Tisch setzte,
blieb ein Stuhl unbenutzt. Mr. Relton sei auf einen langen Spaziergang fortgegangen
— sollte Claudia bestellen — und käme auch zum Tee nicht zurück.
    Julia warf einen schnellen Blick auf
ihre Tochter, um festzustellen, ob die Unterhaltung zwischen den beiden, die
sie mit Sicherheit erwartete, schon stattgefunden habe. Nach Susans
Gesichtsausdruck zu schließen, war das noch nicht der Fall gewesen. Susan
zeigte sich zwar ganz offen ärgerlich darüber, daß sie nun auf Bryans
Gesellschaft für einen Gang nach Belley verzichten mußte, daß also ihre Pläne
für den Nachmittag über den Haufen geworfen waren; aber sie sah nicht so aus,
als sei ihren ganzen Lebensplänen schon das gleiche Schicksal zugestoßen.
    Übrigens gaben ihre Lebenspläne den
Hauptstoff für ihre Gespräche ab, und die Probleme einer erfolgreichen
Klubzeitung spielten darin eine so prominente Rolle, daß Julia den Gedanken
nicht unterdrücken konnte, ob der Ausfall eines Bryan Relton da wirklich sehr viel
über den Haufen werfen würde. Sie wird es schneller verwinden, als ich dachte,
sagte Julia sich selbst ganz glücklich. Wenn sie nur ihre hohe Meinung von sich
selber behält, wird es ihr immer gut gehen, wie dem Fisch im Wasser. Daß Susans
Eigenliebe verletzt werden könnte, war Julias einzige Sorge, und wenn der Bruch
von Bryan ausginge — und das würde er —, dann hätte sie auch diese Klippe
umschifft: Susan hätte dann nicht versagt, sie hätte dann nach bestem Vermögen
ihr Versprechen zu halten gesucht. Auf Bryans Gefühle in der Angelegenheit
pfiff Julia — wie sie Sir William sagte, als sie ihn um drei Uhr im verfallenen
Pavillon traf.
    Dort trafen sie sich jetzt jeden
Nachmittag, und während das ganze Haus seinen Nachmittagsschlaf abhielt,
schlichen sie sich dort hinauf — das heißt, Sir William ging ganz normal, aber
Julia zog es vor, zu schleichen. Es war natürlich gar kein Grund vorhanden,
warum sie nicht vor aller Augen dort hinaufgehen konnten, aber Julias
romantisches und sentimentales Herz — hatte sie es nicht selbst, mit
Lippenstift, im Pavillon an die Wand gemalt? — schlug jedesmal merklich höher,
wenn sie sich durch die Büsche durchgeschlagen hatte und Sir William wartend
vorfand. Sie genoß den Augenblick zu sehr, als daß sie ihn hätte missen mögen,
aber sie blieben nie länger als fünf Minuten dort, denn es gab keine passende
Sitzgelegenheit.
    „Auf Bryan pfeife ich“, sagte Julia. „Er
kann mir von Herzen dankbar sein.“ Wie immer, wenn sie den Pavillon verließ,
streckte sie ihren Arm aus und berührte das Lippenstift-Herz mit einer
zärtlichen Hand. Sir William drehte sich auf der Treppe um und sah ihr zu. „Und
wenn er jetzt noch nicht dankbar ist“, sagte Julia, nachdem der Ritus beendet
war, „dann wird er es bestimmt in ein, zwei Wochen sein. Ich betrachte mich als
seine glückliche Vorsehung.“
    „Beinahe Mutter“, bestätigte Sir
William. „Was sagst du zu einem Diner in Aix heute abend?“
    „Abendkleid?“ fragte Julia sogleich.
    „Selbstverständlich“, sagte Sir
William. „Deswegen will ich ja nach Aix. Ich sehne mich richtig nach meinem
Frack.“
    „Du siehst bestimmt traumhaft darin aus“,
sagte Julia begeistert. Sie ließ sich die Stufen herunterhelfen und blieb dann
in Gedanken versunken stehen. Aber ihre Nachdenklichkeit galt nicht länger
Bryan. „Ich selber kann nicht viel hermachen“, sagte sie bedauernd, „meine
Garderobe hat einen ziemlichen Tiefstand erreicht. Ich hab’ ja das süße
dunkelblaue Taftkleid, aber ich weiß nicht, ob dir’s

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