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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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einladen?“
    „Selbstverständlich!“ rief Julia. „Selbstverständlich
könnt ihr beide kommen! Er soll Roastbeef und einen dicken Pudding bekommen!“
    Susan lachte, und Julia lachte auch.
Sie besaß keine Wohnung, sie besaß nicht einmal einen Eßtisch — und wenn sie
diese Dinge durch ihre Heirat mit Sir William auch wieder bekommen würde—Susan
würde vielleicht ihre Mißbilligung aussprechen und sich weigern, irgend etwas
damit zu tun zu haben. Aber Julia übersah diese möglichen Hindernisse und sah
statt dessen Susan und Mr. Bellamy zu ihrer Seite an ihrem wohlgedeckten Tisch
sitzen und heimlich liebevolle Blicke tauschen. Das Bild war so klar und gab
ihr eine solche Sicherheit, daß sie eine Kardinalfrage wagte.
    „Und Bryan? Ob der auch mit dabeisein
will?“
    „Ach“, sagte Susan. Einen Augenblick
schien sie wirklich ihr Herz öffnen zu wollen, und Julias Kamm hing
sekundenlang regungslos über ihrem Haar. Dann sah sie im Spiegel ihres
Ankleidetisches Susan langsam aufstehen, die Bettdecke glattstreichen und sich
zur Tür wenden.
    „Nein“, sagte Susan leichthin, „ich
glaube nicht, daß Bryan etwas daran gelegen sein wird. Übrigens wird heute ein
wenig früher gegessen, Anthelmine hat Ausgang.“
    Julia beendete ihre Toilette höchst
zufrieden mit sich selbst. Zum ersten Male hatte sie das Gefühl, von Susan
erkannt worden zu sein, noch dazu als Verbündete. Da sie das Gefühl so herzlich
genoß, war es nur gut, daß sie nicht vierundzwanzig Stunden vorausblicken
konnte.
     
    *
     
    Vierundzwanzig Stunden später ereignete
sich im Dorf etwas, das die seltsame Folge zeitigte, Julia an Bryans Seite
gegen ihre eigene Tochter zu rufen. Jeanne-Marie, die Nichte Claudias, der
Spenderin der gezuckerten Mandeln, heiratete, und bei den sich daraus
ergebenden Festlichkeiten trank Bryan sich einen gehörigen Schwips an.
    Er ging allein zu der Gesellschaft und
übernahm schon frühzeitig, wie man später erfahren konnte, die Rolle eines Maître
de plaisir. Man tanzte, und er tanzte vor. Man sang, und er sang vor. Sir
William wunderte sich noch tagelang hinterher bei seinen Spaziergängen durchs
Dorf über die Ähnlichkeit der französischen Lieder mit den englischen. Um sich
die hierfür notwendige Energie zu bewahren, mußte Bryan beim Trinken tüchtig
mithalten, und als die Gesellschaft kurz nach Mitternacht aufbrach, war zu
erkennen, daß es daran nicht gefehlt hatte. Auch das hätte nichts ausgemacht,
denn es fanden sich viele Freiwillige, die erbötig waren, ihn in sein
Pförtnerhäuschen zu begleiten. Aber mit der zu seinem Zustand gehörenden
Sturheit bestand er darauf, zur Villa hinaufzugehen und seinen Freunden dort
Gute Nacht zu sagen. Zufälligerweise, vielleicht weil es draußen so warm war,
befanden sich noch alle im Billardzimmer. Bryan riß die Tür auf, schlidderte
über das Parkett und rettete sich zu dem Stuhl neben Susan. Dann fing er zu
singen an. Er war nicht betrunken, aber zweifellos angetrunken.
    Susan, Julia und Sir William hatten sich
erhoben. Aber während Susan sich instinktiv zurückzog, das Gesicht weiß vor
Zorn, traten Julia und Sir William ebenso instinktiv näher.
    „Hören Sie auf!“ sagte Julia scharf.
    Bryan starrte sie an. Sein Mund stand
noch offen in dem Bemühen, eine hohe Note zu treffen, und er war sehr erstaunt.
Den ganzen Abend war sein Gesang gefeiert worden, warum sollte er gerade jetzt
aufhören? „Warum, Liebling?“ fragte er. „Sag’, warum?“
    „Du störst Mrs. Packett“, sagte Julia.
Sie blickte über ihre Schulter und war ganz betroffen, die alte Dame so ruhig
und unberührt von der Szene zu finden. Mrs. Packett sah gar nicht gestört aus.
Bryan stand mittlerweile wieder auf seinen Füßen, weniger, weil ihm das Sitzen
in Gegenwart der beiden stehenden Frauen unangenehm geworden war, als wegen des
kräftigen Griffs, mit dem Sir William ihn am Arm gepackt hatte.
    „Oh, das wollt ‘ch nich“, sagte er. „Will
nieman’ stör’n. Susan, lieb’sch...“
    Susan schritt an ihm vorüber, ohne ihn
anzusehen, und verließ das Zimmer. Er machte einen krampfhaften Versuch, ihr zu
folgen, aber Sir William hielt ihn fest.
    „Nein, mein Junge“, sagte Sir William. „Susan
will auch nicht gestört werden. Gehe du lieber zu Bett.“
    „Na schön“, erklärte sich Bryan
einverstanden. „Ich— ich wollt’ nur ‘n Nach’ sagen, ‘n Nach’ alle mit’nander!“
    Seine Harmlosigkeit und unschuldige
Freundlichkeit hatten nach Susans Demonstration

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