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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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beinahe etwas Rührendes an
sich. Sir William führte ihn aus dem Zimmer, und dann war alles wieder still.
    „Aspirin sage ich“, sagte Mrs. Packett.
„Ich habe ein paar in meinem Zimmer.“
    „Ich hab auch welche“, sagte Julia und
gab ausnahmsweise ihrer Schwiegermutter einen Gutenacht-Kuß.
     
    *
     
    Der folgende Vormittag war sehr
ungemütlich. Bryan erschien gegen zwölf Uhr, ziemlich bleich und mitgenommen,
und entschuldigte sich bei allen. Mrs. Packett, Julia und Sir William
akzeptierten natürlich schon bei seinen ersten Worten den Ausdruck seines
Bedauerns über das Vorgefallene, das er mit allen Anzeichen der Aufrichtigkeit
vorbrachte; und damit wäre der Ungemütlichkeit Genüge getan gewesen, wenn nicht
Susan gewesen wäre.
    Susan hörte sich Bryans Entschuldigung
an, aber sie verzieh ihm nicht. Julia hatte das Gefühl, daß ihre Tochter ganz
einfach nicht verzeihen wollte. Was geschehen war, schien ihr unentschuldbar zu
sein, und die Tatsache, daß die älteren Beteiligten es trotzdem entschuldigt
hatten, warf nicht etwa ein gutes Licht auf Bryan, sondern — in Susans Augen —
ein schlechtes auf die anderen. Julia merkte dies und ärgerte sich für Sir
William weidlich darüber; und andererseits rührte sie Bryans kummervolle Miene
von Herzen. Logischerweise hätte sie sich ja freuen müssen, aber mit Logik
hatte Julia seit jeher nicht viel anzufangen gewußt. Immerhin war sie
entschlossen, sich nicht einzumischen, und wahrscheinlich wäre es ihr auch
geglückt, ihren Entschluß durchzuführen, hätte Susan das Thema nicht noch
einmal nach Tisch im Garten aufgewärmt.
    „Großmutter erzählte mir gerade“, sagte
sie mit mißbilligend gehobenen Brauen, „daß ihr Vater ein Drei-Flaschen-Mann
war. Wollte sie mir damit eine Richtlinie geben?“
    „Deine Großmutter“, sagte Julia scharf,
„hat mehr gesunden Verstand als irgendwer sonst hier im Hause.“
    „Dann bist du wohl auch ihrer Ansicht“,
sagte Susan, „daß — das gestern abend keinerlei Beachtung verdient?“
    „Selbstverständlich!“ rief Julia, aus
ihrer neutralen Stellung hervorgelockt. „Das hat doch gar nichts zu bedeuten!
Jeder junge Mann wird hier und da mal ein bißchen blau — und dann kann man erst
feststellen, ob sie etwas taugen. Bryan...“
    „Ja?“ fragte Susan, als ihre Mutter
stockte.
    Julias Ehrlichkeit und Sinn für Fairneß
siegten. „Bryan war einfach süß“, sagte sie. „Er war durchaus nicht bösartig
und glaubt heute keineswegs, eine Heldentat begangen zu haben. Du gibst an, als
habe er sich sinnlos betrunken und die Köchin durchs Haus gejagt.“
    Sie unterbrach sich, plötzlich ein
wenig um ihre eigene Stellung bei Susan beunruhigt. Denn das Thema und die
Empörung hatten sie verleitet, Worte und Bilder zu benutzen, die eine
schwerlich zu billigende Erfahrung voraussetzten. Aber Susan hatte anscheinend
nichts Unpassendes bemerkt. Susan hatte sich in ihre Wolke zurückgezogen.
    „Du findest mich also zu hart — und
ungerecht?“ fragte sie endlich.
    „Das nicht“, sagte Julia langsam. Sie
hatte auch nachgedacht. „Bloß... du magst scheinbar niemand.“ Sie überlegte und
änderte dann die Betonung. „Du magst scheinbar niemand; du magst nur— es ist so
schwer auszudrücken — du magst nur gute Eigenschaften.“
    „Möchtest du denn, daß ich schlechte
gern haben soll?“ fragte Susan schroff.
    „Das nicht“, wiederholte Julia, „aber
wenn du jemanden, einen Menschen, gern haben würdest, dann würden dir die
schlechten Eigenschaften nicht mehr so sehr auffallen.“
    Susan faltete ihre Hände über ihr Knie
und starrte zu den Baumwipfeln hinauf. Ihr junger Körper war fast steif vor
Stolz. „Ich glaube nicht, daß du recht hast“, sagte sie. „Du mußt schon
entschuldigen. Aber ich glaube auch nicht, daß ich so abhängig von anderen
Menschen bin, wie du es bist.“ Julia konnte darauf nur antworten, daß sie von
Herzen hoffe, Susan täusche sich nicht; aber sie tat es leise für sich. Eine
instinktive Furcht vor der Folge einer solchen Ansicht trieb sie dazu, weiter
auf Susan einzureden.
    „Das mag stimmen oder nicht; aber ich
finde, du solltest dich wieder mit Bryan versöhnen. Wenn ihr euch schon
streiten müßt...“
    „Ich habe gar nicht die Absicht, mich
mit ihm zu streiten“, unterbrach Susan sie rasch. „Ich kann ihm nicht sagen,
daß ich es vergessen habe und daß es nichts ausmacht, aber ich — ich werde sehr
nett zu ihm sein.“
    Und sie war den ganzen Nachmittag

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