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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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so
nett, so reizend, so freundlich, daß Bryan vollkommen überrumpelt wurde, als
sie ihn um das Versprechen bat, nie wieder Wein zu trinken, solange er in
Frankreich sei.
    „Aber ich werde mich ja lächerlich
machen“, sagte er, „wo der Wein doch ständig auf den Tisch kommt.“
    „Ich werde dir zur Gesellschaft auch
Mineralwasser trinken“, versprach Susan.
    „Nein“, sagte Bryan energisch. Susans
Freundlichkeit war ihm etwas zu Kopf gestiegen: er hatte — irrtümlicherweise —
den Eindruck bekommen, daß heute Susans eiserner Wille sich zum ersten Male
etwas biegsamer erwiesen habe. „Nein, mein Liebling; das wär’ ja lächerlich...“
    Auch hierzu lächelte Susan nur. Sie
blieb unverändert nett zu ihm. Aber als er sich abends zu Tisch setzte, bemerkte
er, und alle anderen bemerkten es auch, daß die Karaffe, die den Tischwein
enthielt, nur zur Hälfte gefüllt war.
     
     
     

22
     
    J ulia ließ sich nicht von der Ansicht
abbringen, daß die nur halbvolle Karaffe sozusagen Bryans Augen öffnete. Auf
jeden Fall datierte von jenem Abend an seine wachsende Beunruhigung über Susans
philanthropische Beschäftigungswut. Sein Unterbewußtsein befand sich seitdem
auf höchster Alarmstufe, während das obere noch zögerte, zuzugeben, daß Grund
zur Furcht vorhanden sei. Julia wußte von ihrer Freundin Louise eine Menge über
das Unterbewußtsein, denn Louise war einmal psychoanalysiert worden, und sie
hatten sich beide über das Resultat tagelang nicht beruhigen können. Sie war
dementsprechend nicht weiter erstaunt, als er sie kurz nach der Episode einmal
stellte und ihr mitteilte, daß er diesen ganzen Quatsch mit dem Klub bis dahin
über habe.
    „Das ist durchaus kein Quatsch“, sagte
Julia und versuchte, für ihre Tochter beleidigt auszusehen. „Der Klub ist eine
nützliche und segenbringende Einrichtung.“
    „Na schön, meine teure Julia, wie Sie
wollen. Sir William hat es wenigstens verstanden, sich von der Angelegenheit zu
drücken.“
    „Sir William hat etwas Erholung sehr
nötig. Schließlich ist er hier auf Ferien.“
    „Susan auch. Und— um auch das noch zu
erwähnen— ich ebenfalls. Es war schon schlimm genug, sie ständig bei ihren
französischen Lektionen antreffen zu müssen, aber jetzt ist sie ganz unmöglich.
Sie kann nur noch Klub — Klub — Klub reden.“
    „Na, je eher Sie sich daran gewöhnen,
um so besser“, sagte Julia ruhig, „was anderes werden Sie Ihr Leben lang nicht
vorgesetzt bekommen. Eines Tages wird es Ihnen wahrscheinlich sogar Spaß
machen!“
    „Mir nicht!“ sagte Bryan in
aufrichtiger Bestürzung. „Dazu bin ich denn doch zu vernünftig. Außerdem weiß
ich, wozu ich tauge — ein geruhsames, stilles Leben, mehr will ich gar nicht.
Wenn Sie mal Ihren Kuchenladen eröffnen, meine Liebe, dann bewerbe ich mich um
den Posten als Laufbursche.“
    „Lassen Sie mich mit dem Kuchenladen
zufrieden“, sagte Julia gereizt. Die unglückselige Idee der alten Mrs. Packett
begann ihr langsam auf die Nerven zu gehen. „Ich habe nichts Derartiges vor!“
    „Nicht einmal, um mir zu einer
Beschäftigung zu verhelfen? Was soll denn aus mir werden?“
    Julia dachte nach. „Es würde mich gar
nicht wundern“, sagte sie dann langsam, „wenn Sie sich eines Tages als ein ganz
brauchbarer Journalist entpuppen sollten.“
    „Sie sind wirklich gar nicht so dumm,
liebe Julia, daran habe ich nämlich auch schon gedacht. Ich würde bestimmt
einen verteufelt guten Spezialreporter abgeben. Wie sind Sie darauf verfallen?“
    „Ich kannte früher eine ganze Menge“,
sagte Julia. „Die hatten auch alle keine Lust, irgend etwas Ordentliches zu
werden. Aber wozu reden wir davon? Sie wollen doch Anwalt werden!“
    „Bei Nord-Nordwest, wie Hamlet sich
ausdrückte. Ich bin nicht so recht überzeugt, daß ich bei der Stange bleiben
könnte. Übrigens sind ja die meisten Anwälte in ihrer Freizeit Journalisten.
Damit verdienen sie sich ihr Biergeld.“ Julia konnte kaum noch an sich halten.
Verstehst du denn nicht, wollte sie rufen, verstehst du denn nicht, wie sinnlos
dies alles ist? Aber statt dessen — denn sie war inzwischen weiser geworden —
bemerkte sie nur, daß, selbst wenn er nicht genug verdienen sollte, Susan auf
jeden Fall in der Lage sein würde, ihm zu seinem Bier zu verhelfen.
    „Glauben Sie etwa, ich lasse mich von
Susan aushalten?“ fuhr Bryan wider seinen Willen heftig auf.
    „Nun, sie wird doch wahrscheinlich
immer sehr viel mehr habenalsSie“,

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