Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Titel: Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ror Wolf
Vom Netzwerk:
Darm wüchse mir zum Mund heraus. Am 6. März dachte ich plötzlich: Du hast vergessen zu atmen. Ich fühlte nur diesen fürchterlichen unerträglichen ekelerregenden – ja, kann man sagen.
    Damals saß ich in meinem Zimmer. Ich hörte nichts, nur ein ganz kleines Klopfen, ein Klopfen, während der Mond vorbeizog, ein ganz kleines Klopfen vor dem Fenster, durch das hin und wieder ein Mann hereinsah zu mir und mir zuwinkte oder zunickte oder auch gar nichts tat, sondern einfach vorbeiging, kopfschüttelnd. – Auch ich tat so gut wie gar nichts. Ich nickte ein wenig in den Mond hinein. Ich war ja auch gründlich erschöpft von den vorausgegangenen Abenteuern und Ereignissen dieser letzten Tage, über die ich gerade nachdachte. Die Straßen brannten, die Mauern fielen um, die Menschen stießen im Nebel gegeneinander, und alles war still, nur ein ganz kleines Klopfen. Der einzige Mensch, den ich zu Gesicht bekam, war ich, wenn ich in den Spiegel sah. Übrigens wuchs der Mond, er wuchs tatsächlich. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte mich aufgegessen.

    Als ich am 22. März erwachte, saß eine Frau auf mir. Sie hockte gespreizt auf mir. Wie heißen Sie, fragte ich. Ich versuchte mich an etwas zu erinnern, weiß aber nicht, an was ich mich zu erinnern versuchte. Ich habe wahrscheinlich etwas überstanden, von dem ich nicht weiß, was es war, dachte ich. Vielleicht habe ich es auch nicht überstanden, aber ich habe den Eindruck, daß es vorbei ist, abgeschlossen, beendet.
    Als ich am 23. März erwachte, war ich zugeschneit. Vom 24. und 25. März weiß ich nichts mehr. Ich weiß aber, daß diese Zeit für mich keine Bedeutung hat. Manchmal erlebte ich etwas, mir fällt im Moment nicht ein, was es war, aber manchmal erlebte ich etwas, nicht viel, nichts Besonderes, nichts, was der Rede wert wäre, und schon gar nichts, was sich erzählen ließe, es wäre mir sogar recht, wenn man meine Worte von nun an gar nicht beachten würde.
    Als ich am 26. März erwachte, dachte ich: Was heute passiert ist, wird nie wieder, ich wiederhole: nie wieder passieren. Als ich am 27. März erwachte, passierte nichts. Es geschah nichts. Erst sehr lange danach geschah etwas, aber nur in Gedanken, nur im Kopf. Ich vertrieb mir am 27. März eine Weile die Zeit mit dem langsamen Nachdenken. Ich geriet in Verwicklungen mit Menschen, die hereinkamen, aber bevor ich wußte, wer diese Menschen waren, verschwanden sie wieder. Die Tür schloß sich hinter ihnen, und ich verbrachte die ganze folgende Nacht damit, herauszufinden, wohin diese Tür führt, die ich rechts neben mir sah, neben dem Bett.
    Eines Tages wunderte ich mich, daß ich auf der Welt war, daß ich Arme und Beine hatte, die zu mir gehörten, daß ich einen Kopf hatte und ein Gesicht hatte. Eines Tages bemerkte ich auch, daß mich mein Gesicht aus dem Spiegel heraus ansah. Das war am 30. März, 14 Uhr.



I ch will jetzt über mich sprechen, sagte der Mann neben mir, und es ist besser, wenn ich gleich damit anfange. Aber was soll ich sagen? Vielleicht das: Ich lebte inzwischen unter falschem Namen im Norden von London und erklärte Doktor Q, dem ich auf der Straße begegnete, er müsse sich mit dem Gedanken vertraut machen, daß ich eine Person sei, die er vollkommen falsch einschätze. – Es ergab sich damals im Norden von London folgendes Gespräch, das ich hier nicht wiederholen will.
    Es gefällt mir, was Sie da sagen, sagte Q, mir gefällt Ihre Art. Es gefällt mir auch, wie Sie diese Sache anpacken. – Das kann sein, sagte ich, aber ich habe inzwischen mit anderen Sachen zu tun, ich beschäftige mich mit anderen Sachen. – Mit den Worten: ich gehe, ging ich. Und als ich mich nicht mehr im Norden von Londen befand, habe ich alles aufgeschrieben. Ich habe es aufgeschrieben und damit viel Aufmerksamkeit erregt, viel Bewunderung oder Verwunderung. Das war im April. Ich glaube ich dachte Anfang April darüber nach, wie es nun weitergehen sollte. Und als ich darüber nachdachte, ging es weiter.
    Die wurmlangen Eisenbahnen fuhren vorbei. Ich schwieg und der Mann, der mir gegenübersaß, im Bahnhofshotel, schwieg auch. Schließlich erhob er sich, er ging durch die kalte lautlose Gaststube, an den leeren Tischen vorbei, bis zur Tür und hinaus in das vom Schnee leicht bedeckte Bahnhofsgelände. Der Wind pfiff und ich mußte hinter ihm herziehen, die unbeleuchtete Straße hinauf, an der Nähmaschinenfabrik vorbei, am Schlachthof vorbei, am Wasserwerk Gaswerk am

Weitere Kostenlose Bücher