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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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gelitten haben mußte wie sie jetzt.
    Die letzte Nacht vor dem Fest schien eine Ewigkeit zu dauern. Sie hatte die beiden Frauen schon vor Stunden weggeschickt. Als die Lichter langsam erloschen, wurde es immer dunkler in dem Raum, und die wachsenden Schatten schienen Eilan zu verschlingen.
    Das Ende war ihr durch das Zeichen der Göttin angekündigt worden, und Eilan zweifelte nicht mehr daran, daß sie das Ritual nicht überleben würde. Der Tod saß wartend in ihrem Herzen, und ihr Geist machte sich bereit, die große Reise der Verwandlung anzutreten. In der Stille der Nacht schien der Tod sich bereits wie eine aufbrechende Blüte langsam zu entfalten. Ihr Herz pochte, als wolle es ihren Brustkorb zerbrechen. Selbst bei Gawens Geburt hatte sie keine solchen Schmerzen gehabt. Aber Eilan konnte nicht sagen, ob es Schmerzen ihres Körpers oder ihres Geistes waren.
    Als sie kurze Zeit einschlief, träumte sie von Caillean. Die Priesterin wurde von Räubern überfallen; sie hob beschwörend die Hände zum Himmel. Ein Blitz zuckte grell und blendete Eilan; verwirrt schloß sie die Augen, und als sie wieder etwas sah, lagen die Angreifer leblos am Boden. Aber auch Caillean rührte sich nicht mehr. Eilan wußte nicht, ob sie noch lebte.
    Schließlich erwachte sie zitternd. Über ihre Wangen liefen Tränen… Tränen der Trauer und Tränen der Verzweiflung. War das eine Vision gewesen oder nur ein Alptraum mehr, der sie folterte?
    Caillean sollte auf der heiligen Insel im Sommerland sicher sein. Sie errichtete mit den Novizinnen das neue Heiligtum der Göttin. Auf ihr ruhte die Hoffnung einer Zukunft, die es für Vernemeton kaum noch geben konnte. Aber wenn Caillean die Insel verlassen hatte und ihr etwas zugestoßen war, welche Hoffnung gab es dann überhaupt noch?
    Gegen Morgen schleppte sich Eilan in das Haus, in dem Gawen schlief. Huw hatte im Freien vor dem kleinen Haus nahe der heiligen Quelle Wache gehalten, wohin Eilan sich vor den Ritualen zurückzog, und folgte seiner Herrin stumm. Zum ersten Mal, seit sie die Hohepriesterin von Vernemeton war, konnte sie seine Anwesenheit kaum ertragen. Der riesige Huw schien ihr selbst aus dem Abstand, den er wahrte, die Luft zum Atmen zu nehmen.
    Plötzlich erinnerte sie sich an die Schauergeschichten, die man sich flüsternd im Haus der Frauen erzählte und die sie bisher nie verstanden hatte. Vor langer Zeit war eine Priesterin von ihrem Leibwächter belästigt worden. Sie hatte ihn den Druiden übergeben, die den Mann später zum Tod verurteilten.
    Zum ersten Mal konnte sich Eilan vorstellen, wie sich eine Hohepriesterin in ihrer Verzweiflung und dem Wunsch nach etwas menschlicher Wärme an den einzigen Menschen gewandt hatte, der für sie erreichbar gewesen war. Und wie leicht konnte er sie mißverstanden haben.
    Als Eilan ihr Ziel erreicht hatte, drehte sie sich schaudernd um und befahl Huw mit einer stummen Geste, an der Tür zu warten.
    Wenn doch nur Caillean da wäre… oder Lhiannon… oder meine Mutter… irgend jemand, dem ich vertrauen könnte. Warum bin ich nur so schrecklich allein?
    Aber es gab niemanden. Selbst die kleine Senara hatte in Eilans Augen die Reinheit und Unschuld verloren. Und Bendeigid?… Er gehörte inzwischen zu ihren größten Feinden. Bendeigid war von der Priesterschaft zum höchsten Druiden gewählt worden.
    Eilan hob vorsichtig die Lampe hoch und betrachtete den ruhig schlafenden Gawen. Ihr Herz klopfte so laut, daß sie fürchtete, ihn aufzuwecken. Aber er schlief ruhig weiter. War dieser große Junge wirklich ihr Sohn? Als Säugling war er so winzig gewesen, daß sein Vater ihn mit beiden Händen halten konnte. Aber Gawen war gewachsen. Er war das Zeugnis der Liebesnacht, in der Gaius ihr die letzten Zweifel an der Richtigkeit ihrer Liebe genommen hatte. Inzwischen wußte sie jedoch, es war eine Nacht des Unheils gewesen. Damals war sie so glücklich wie nie zuvor in ihrem Leben gewesen, denn sie hatte daran geglaubt, daß ihre Liebe etwas Heiliges sei.
    Aber Gawen war gesund und kräftig. Wie konnte ein so unschuldiger Mensch aus einer so unheilvollen Verbindung hervorgehen?
    Sie musterte die kindlichen Züge, sah den schlaksigen Körper, für den die Hände und Füße eine Spur zu groß waren. Man konnte bereits erkennen, wie er als Mann einmal aussehen würde. Sie fand nicht, daß er seinem Vater glich. Früher war sie deshalb enttäuscht gewesen; aber jetzt war sie erleichtert, denn er erinnerte sie wenigstens nicht ständig an

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