1687 - Leibwächter der Halbvampire
Ich war schneller und schoss. Mehrmals hintereinander drückte ich ab, hörte das Krachen der Schüsse, sah auch die Treffer und hörte das grelle Lachen, das die Frau bei jedem meiner Schüsse abgab. Sie machte sich nichts daraus, getroffen zu werden, denn die Kugeln prallten an ihrer Gestalt ab. Sie wurden zu Querschlägern, die auf mich zujagten wie Hornissen, denen ich nicht entgehen konnte. Die Kugeln schlugen in meinen Körper ein, ohne dass ich dabei Schmerzen verspürte, mich aber auf die Verliererstraße befand, denn die Frau riss die Hand mit der Waffe hoch, gab noch ein letztes Lachen von sich – und verschwand von der Bildfläche.
Plötzlich war sie nicht mehr da.
Aber mich gab es noch.
Und ich erwachte aus einem tiefen Schlaf, der mir diesen Traum beschert hatte.
Es floss kein Blut, in meinem Körper befanden sich keine Einschüsse, ich hörte weder das Krachen der Waffen noch sah ich das Mündungsfeuer. Ich hatte schlichtweg nur geträumt von dieser schießwütigen Frau, die ich allerdings auch in der Realität kannte, denn sie war keine Geringere gewesen als die kugelfeste Chandra, mit der ich bei meinem letzten Fall zu tun gehabt hatte.
Sie war für mich ein Albtraum. Ihr Bild hatte sich in meine Erinnerung eingebrannt. Hinzu kam, dass sie noch lebte, denn ihr war die Flucht gelungen und sie hatte sich irgendwo in Moskau versteckt, um neue Pläne zu schmieden. [1]
Jetzt war ich wach. Ich konnte wieder durchatmen. Auch mein schneller gewordener Herzschlag beruhigte sich wieder. Was ich erlebt hatte, war zwar ein Albtraum gewesen, aber die Frau, die mit Namen Chandra hieß, hatte ich zusammen mit Karina Grischin in Moskau gejagt, und dort war sie uns entkommen.
Ich saß jetzt in der Maschine, die mich von Moskau nach London bringen sollte, und da hatte mich der Schlaf übermannt. Den Traum wurde ich so leicht nicht los, aber ich freute mich über die Wirklichkeit, denn als ich einen Blick aus dem schmalen Fenster der Maschine warf, sah ich nicht nur den blauen Himmel, sondern auch die Riesenstadt an der Themse, denn der Flieger befand sich bereits im Landeanflug. Ich hatte mich beim Start angeschnallt, und das war bis jetzt so geblieben.
Durchatmen, zur Ruhe kommen, mich auf die Rückkehr konzentrieren. Rechts neben mir hörte ich ein Räuspern. Dort saß ein Mann, der aussah, als wäre er in seinen Sitz hineingepresst worden. Zum Glück war der Platz neben mir frei und der andere Passagier saß auf dem Platz am Mittelgang. Auf seinen Knien lagen einige Zeitungen in kyrillischer Schrift. Er hatte die Blätter während des Fluges gelesen und wartete jetzt auf die Landung, die noch gut eine Viertelstunde dauern würde.
Ich konnte mich in der Zwischenzeit mit meinen Gedanken beschäftigen. Die drehten sich um die nahe Vergangenheit, um das in Moskau Erlebte.
Das war schrecklich gewesen. Da hatte das Schicksal grausam zugeschlagen. Nicht bei mir oder bei Karina direkt, nein, es hatte Wladimir Golenkow, Karinas Partner und Lebensgefährten, erwischt. Diese kugelfeste Chandra hatte Wladimir Golenkow angeschossen und ihn so unglücklich getroffen, dass er bis zu seinem Lebensende wohl querschnittsgelähmt bleiben würde.
Noch lag er im Krankenhaus, aber er wusste bereits, dass er die folgende Reha im Rollstuhl verbringen würde und nicht nur die, sondern auch die restliche Zeit seines Lebens, wenn nicht ein großes Wunder geschah. Aber daran zu glauben fiel mir schwer.
Ausgerechnet Wladimir Golenkow. Dieser eisenharte Kämpfer, der unzählige Gefahren überstanden hatte. Jetzt war sein normales Leben für alle Zeiten vorbei. Damit fertig zu werden war verdammt hart.
Ich dachte daran, wie Karina und ich an seinem Bett gesessen hatten. Wir hatten uns zusammenreißen müssen und einen Mann erlebt, der trotz seiner Behinderung an die Zukunft dachte und sich nicht in einer weinerlichen Stimmung verlor.
Er war der Meinung, dass es auch für ihn eine Zukunft gab, und er würde gegen sein Schicksal ankämpfen, das stand für ihn und auch für uns fest.
Ich wünschte ihm alles Gute. Das galt natürlich auch für Karina Grischin, die an seiner Seite bleiben würde. Nicht nur beruflich, auch privat, und sie würde alles tun, um ihm die nötige Unterstützung zu geben.
Das war das eine Problem. Das andere gab es auch, und das hieß Chandra. Sie war eine Person, an deren Körper die Kugeln abprallten, und ich wusste nicht, warum das so war. Das hatten Karina und ich nicht herausbekommen, aber es gab eine
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