Die Wälder von Albion
ihr hier wartet. Geht jetzt! Das ist ein Befehl. Ich werde versuchen, eurem Freund zu helfen, so gut ich kann.«
Gaius atmete erleichtert auf, als die beiden ohne Widerspruch davonliefen und im Wald verschwanden. Jetzt blieb nur noch Longus. Selbst ein Legionär war zuviel, wenn man ihn entdeckte. Gaius biß sich auf die Lippen. Was sollte er tun?
Viel Zeit blieb ihm nicht. Inzwischen war es Nacht. Wenn er Senara, den Jungen oder auch Eilan retten wollte, dann mußte er in das Heiligtum eindringen.
So leise wie möglich schlich er zur Palisadenwand. Er wußte, daß es irgendwo in der Nähe einen Ausgang zum Wald gab.
Es dauerte nicht lange, und er erreichte das kleine Tor in den Palisaden. Er schob den Riegel zurück und befand sich auf dem Platz, wo sein Sohn Ball gespielt hatte. Senara hatte ihm einiges über Vernemeton erzählt, und er erinnerte sich an den Weg hinter der Hecke. Er vermutete, daß das große Gebäude auf der anderen Seite des Platzes das Haus der Novizinnen war. Hinter der Küche sah er eine dunkle Stelle. Dort würde er nicht gesehen werden und konnte unauffällig warten. Vorsichtig lief er dorthin.
Ein anderer hatte den gleichen Gedanken gehabt. Gaius stieß mit einen Mann zusammen, der erschrocken aufschrie, ehe Gaius ihm die Hand auf den Mund pressen konnte.
»Longus?« flüsterte er. Der Mann nickte. »Die Wette kannst du vergessen. Deine Kameraden sind schon auf dem Rückweg. Wenn du keinen Ärger willst, dann folgst du ihnen, und zwar schnell!«
Longus murmelte leise etwas Unverständliches, das wie ein Fluch klang, aber er nickte. Gaius ließ ihn los.
Als der Mann über den Platz rannte, ging plötzlich eine Tür auf. Das Licht einer Lampe fiel auf den Platz, und Longus erstarrte wie ein geblendetes Kaninchen.
»Lauf, du Dummkopf!« rief Gaius aus dem Dunkel.
Longus rannte schnell zum Tor und verschwand im Wald.
Plötzlich tauchten von allen Seiten Männer in weißen Gewändern auf.
Druiden! Wie kommen die hierher?
Im nächsten Augenblick würden sie ihn in seinem Versteck entdecken, denn einige Druiden trugen Fackeln. Gaius schlich so schnell er konnte an der Hauswand entlang. Plötzlich hörte er hinter sich einen Fluch. Er sprang zur Seite und zog instinktiv das Schwert.
Der Mann schrie auf, als Gaius zustieß. Die anderen hörten es und rannten herbei. Gaius wehrte sich eine Weile, so gut er konnte. Aber er war der Überzahl nicht gewachsen und mußte sich schließlich ergeben.
»Meine Tochter, bist du bereit?«
Bendeigid trat in ihr Zimmer. Er trug den rituellen Umhang aus Stierfell, das lange weiße Gewand und die goldenen Insignien des höchsten Druiden.
Er sah eindrucksvoll aus, aber Eilan sank bei seinem Anblick das Herz.
Eilan richtete sich auf und begrüßte ihn förmlich. Dann sagte sie: »Ich bin bereit!«
Wie vor jedem Ritual hatten die diensthabenden Priesterinnen sie vorbereitet.
Zum letzten Mal…
Daran zweifelte sie nicht, als man ihr den geweihten Kranz aus Eisenkraut um den Kopf legte. Zumindest würde sie gereinigt und geweiht vor die Göttin treten.
Bendeigid stützte sich auf seinen Stab und betrachtete sie. Dann bedeutete er den Priesterinnen, sie alleinzulassen.
»Hör zu, mein Kind. Es besteht kein Grund mehr, sich gegenseitig etwas vorzumachen. Man hat mir berichtet, daß Ardanos vor den Ritualen zu dir gekommen ist. Ich weiß auch von seinen Zaubertricks, mit denen er deinen Willen außer Kraft gesetzt hat. Es tut mir leid, daß ich dir einmal vorgeworfen habe, du seist eine Verräterin.«
Eilan erwiderte seinen Blick nicht, denn sie fürchtete, er werde ihren Zorn in den Augen sehen. Seit dreizehn Jahren war sie die Hohepriesterin von Vernemeton. Sie war die Herrin des Heiligtums und die am meisten geachtete Frau im ganzen Land. Warum redete er mit ihr, als sei sie noch ein Kind?
Aber Eilan ließ sich nicht von seinen väterlichen Worten täuschen. Eine gefährliche Spannung lag in der Luft. Und schließlich hatte ihr Vater einmal gedroht, sie lieber zu ertränken als einem Römer zur Frau zu geben. Bendeigid war zu allem fähig, und jetzt lag die Macht der Druiden in seinen Händen…
Doch sie durfte sich nicht wegen einer persönlichen Kränkung seine Feindschaft zuziehen. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, daß Senara am Nachmittag mit Gawen Vernemeton verlassen hatte und vermutlich in der Hütte im Wald war.
Ohne auf seinen Ton einzugehen, fragte sie ruhig: »Was möchtest du von mir?«
»Die Römer kämpfen gegeneinander…
Weitere Kostenlose Bücher