Die Wälder von Albion
für ihn dasein, bis er erwachsen ist. Und Gaius… «
»Ich bitte dich, sprich nicht von ihm… «
Aber Senara ließ sich nicht beirren. »Eilan, Gaius liebt dich und seinen Sohn. Das weiß ich. Er hat dich nicht vergessen… «
»Da irrst du dich!«
»Nein, ich bin mir sicher. Ich weiß, wie er leidet. Ich habe seinen Kummer nicht verstanden, aber jetzt weiß ich, warum er zu Vater Petros gekommen ist. Er war so verzweifelt. Er liebt die Römerin nicht, die er auf Geheiß seines Vaters heiraten mußte… «
»Hör zu«, unterbrach sie Eilan. »Ich weiß, daß ich das Zeichen der Göttin richtig verstanden habe. Aber selbst wenn ich nach Samhain noch lebe, kannst du mit Gaius darüber sprechen. Jetzt müssen wir vor allem Gawen in Sicherheit bringen. Heute nacht wird die Stunde der Wahrheit kommen, und die Göttin wird über unser Schicksal entscheiden. Beim Ritual kann alles geschehen. Ich gehe jetzt wieder zur heiligen Quelle, aber du verläßt Vernemeton und versteckst dich mit Gawen bei Vater Petros in der Hütte. Du darfst erst zurückkommen, wenn das Fest vorüber ist. Im Wald seid ihr in Sicherheit, denn dort wird euch niemand suchen!«
30. Kapitel
Als Caillean wieder zu sich kam, stellte sie fest, daß sie eine Zeitlang das Bewußtsein verloren hatte. Es wurde bereits dunkel, und ihr Gewand war völlig durchnäßt. Ein Ochsenkarren, der quietschend und knarrend über die schlammige Straße holperte, näherte sich ihr. Auf dem Wagen saßen vier oder fünf Männer. Sie hielten Knüppel in der Hand. Ein paar kräftige Männer gingen dem Wagen mit Fackeln voraus. Waren die Wegelagerer vor ihnen geflohen? Caillean schien abgesehen von einer dicken Beule auf dem Kopf nicht weiter verletzt zu sein.
Mühsam stand sie auf, obwohl ihr der Kopf so heftig schmerzte, daß alles vor ihren Augen verschwamm. Als sie wieder klar sehen konnte, entdeckte sie die toten Männer. Sie waren vom Blitz erschlagen worden. Von den Sklaven, die ihre Sänfte getragen hatten, fehlte jede Spur. Vermutlich hatten sie geglaubt, Caillean sei ebenfalls tot, und waren davongelaufen.
Der Ochsenkarren blieb stehen. Ein Mann kam furchtsam mit einer Fackel auf sie zu und fragte ängstlich: »Bist du ein Geist? Verschone uns und sei uns gnädig… «
»Ich kann dir versichern, ich bin ein Mensch«, erwiderte Caillean. »Ich bin eine Priesterin aus dem Sommerland. Wegelagerer haben mich überfallen.«
Jetzt sah sie auch die umgestürzte Sänfte.
»Man wollte mich ausrauben… «
Ihr Blick fiel wieder auf die verkohlten Leichen, und sie begriff, daß die Göttin die Räuber bestraft hatte.
»Wohin willst du, Herrin?« fragte der Bauer auf seinem Wagen.
Caillean drehte dem schrecklichen Anblick den Rücken zu, obwohl sie wußte, daß sie dieses Bild nie mehr vergessen würde. »Nach Vernemeton in der Nähe von Deva. Bis vor kurzem habe ich dort gelebt.«
»Ach so, du bist nicht von hier«, sagte der Bauer, »das erklärt alles. Ich habe gehört, daß die Legion noch in Deva ist und die Straßen dort überwacht werden. Seit der Ermordung des Kaisers wagt sich hier in der Gegend niemand mehr ohne ausreichenden Schutz aus dem Haus. Hoffentlich haben wir bald wieder einen neuen Kaiser und Legionäre, die uns schützen können.«
Caillean glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. Domitian war gestürzt? Also erfüllte sich die Prophezeiung der Göttin. Der Machtkampf in Rom würde das Reich in seinen Grundfesten erbeben lassen, und in dieser Krise fiel die Entscheidung über das Schicksal von Albion.
An Samhain öffnen sich die Tore zu den anderen Welten. Die Toten fordern von den Lebenden ihren Tribut…
Caillean dachte an die verkohlten Leichen und ihr schauderte, denn plötzlich wurde ihr das ganze Ausmaß der Gefahr, in der Eilan und Vernemeton schwebten, bewußt. Die Priesterschaft mit dem neuen höchsten Druiden würde versuchen, die Hohepriesterin zu beeinflussen. Die Stunde der Wahrheit kündigte sich an. Würde Eilan ihren Grundsätzen treu bleiben? Würden die Druiden sie erpressen?
Der Bauer sprach britonisch wie ein Einheimischer. Waren selbst die Britonen auf dem Land schon soweit, daß sie sich einen neuen Kaiser wünschten? Dann würde auch der Bürgerkrieg in Albion unvermeidbar sein, denn für Männer wie Bendeigid war dieser Bauer ein Verräter.
»Deine Sänftenträger sind davongelaufen, Herrin«, sagte der Mann, der neben dem Bauern saß. »Wenn es Sklaven waren, wundert mich das nicht.«
Die Männer entdeckten erst
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