Der erste beste Mann: Wenn die Braut sich traut (German Edition)
1. KAPITEL
Es war einer dieser ganz bestimmten Tage, an denen nichts, aber auch gar nichts richtig lief. Shelly Hansen sagte sich, dass sie heute Morgen die Zeichen hätte beachten sollen. Sie war über das Schuhband ihrer hohen, dunkelblauen Basketballschuhe gestolpert, als sie vom Parkplatz in ihr kleines Büro gehastet war. Dabei hatte sie sich ein Loch in das Knie ihrer brandneuen Hose gerissen und war nicht besonders würdevoll in das Gebäude gehumpelt. Von da an war der Tag immer schlechter verlaufen.
Als sie am Abend in ihr Apartment zurückkehrte, war sie in einer üblen Stimmung. Und es hätte ihr zu ihrem Glück gerade noch gefehlt, dass ihre Mutter unangemeldet hereingeplatzt käme, einen Mann im Schlepptau und strahlend verkündend, endlich den geeigneten Partner für sie gefunden zu haben.
Das war genau das, was sie von ihrer lieben, süßen und verzweifelten Mutter hätte erwarten können. Sie, Shelly, war achtundzwanzig, und ihre Mutter hielt die Tatsache, dass sie immer noch ledig war, für außerordentlich besorgniserregend.
Dabei spielte es keine Rolle, dass ihre Tochter mit ihrem Leben, so wie es war, zufrieden war. Sie beachtete auch nicht, dass die Tochter weder an einer Ehe noch an Kindern interessiert war, wenigstens noch nicht. Nicht in absehbarer Zeit.
Im Moment war Shelly vollkommen mit ihrem Beruf beschäftigt. Sie war sehr stolz auf ihre Arbeit als Videoproduzentin. Ihre Videos, die der Entspannung dienten, zeigten Bilder vom Meer, von Bergen, einem Feuer im Kamin, im Hintergrund spielte klassische Musik. Und sie verkauften sich gut. Ihr Video, das dazu diente, Katzen in Abwesenheit ihrer Herrchen oder Frauchen zu entspannen, hatte kürzlich sogar die Aufmerksamkeit eines der größeren Händler erregt, und sie fing langsam an zu glauben, entdeckt zu werden.
Das waren die guten Nachrichten. Dass ihre Mutter versuchte, sie zu verheiraten, war die schlechte.
Shelly warf ihren mexikanischen Tragebeutel und ihr gestreiftes Jackett auf das Sofa, ging in die Küche und stöberte suchend in ihrem Gefrierschrank. Sie hatte das Schnellgericht gerade in die Mikrowelle gestellt, als es an der Tür klingelte.
Ihre Mutter! So, wie der Tag gelaufen war, musste es einfach ihre Mutter sein. Shelly unterdrückte ein Stöhnen und beschloss, höflich, aber nachdrücklich zu sein, freundlich und entschlossen. Und wenn ihre Mutter das Gespräch wieder auf einen Ehemann brächte, würde sie einfach das Thema wechseln.
Aber nicht Faith Hansen stand vor der Tür, sondern Elvira Livingstone, die Verwalterin des Apartmenthauses, Elvira war eine warmherzige, liebenswerte, aber leider auch unersättlich neugierige, ältere Lady.
„Guten Abend, Dear.“ Elvira trug schwere goldene Ohrringe und ein weites, strahlend gelbes Hauskleid. Die Hände hatte sie schützend um ein großes Paket gelegt. „Der Postbote hat das vorbeigebracht und mich gebeten, es Ihnen zu geben.“
„Das ist für mich?“ Vielleicht war der Tag ja doch noch nicht ganz verdorben.
Elvira nickte, hielt das Paket aber immer noch fest, als wolle sie es nicht hergeben, bis sie alle wichtigen Informationen erhalten hatte. „Der Absender ist aus Kalifornien. Kennen Sie jemanden mit Namen Millicent Bannister?“
„Tante Milly?“ Shelly hatte schon seit Jahren nichts mehr von der Großtante ihrer Mutter gehört.
„Das Paket ist sogar versichert.“ Elvira spreizte die Finger, gerade weit genug, dass sie den Aufkleber noch einmal prüfen konnte.
Shelly hielt ihr die Arme ausgestreckt hin, um das Paket in Empfang zu nehmen, ohne Erfolg,
„Ich musste dafür unterschreiben. Und es ist ein Brief beigefügt.“
Shelly hatte den Eindruck, dass sie nur dann ihr Paket bekommen würde, wenn sie es Elvira zuerst öffnen ließ. „Ich weiß die Mühe zu schätzen, die Sie meinetwegen auf sich genommen haben“, sagte sie, packte mit festem Griff das Paket und entriss es Elvira förmlich. „Vielen Dank.“
Die Miene der älteren Lady verriet deren Enttäuschung, als Shelly langsam die Tür schloss. Aber nach einem derart frustrierenden Tag war Shelly nicht in der Stimmung auf Gesellschaft, schon gar nicht auf die der sicherlich gut meinenden, aber nervtötenden Elvira Livingstone.
Shelly seufzte. Das hatte sie nun davon, eine Wohnung mit „Charakter“ gemietet zu haben. Nach den ersten Startschwierigkeiten hätte sie es sich leisten können, in einem modernen Hochhaus mit Sauna und Swimmingpool in einer vermögenden Yuppiegegend zu leben.
Weitere Kostenlose Bücher