Die Waffen nieder!
der sie begleitenden Oberhofmeisterin, indem sie ein Wäschestück zur Hand nahm, »wie gut diese Leinwand ist – und wie hübsch genäht.«
Dann bat sie den Vizepräsidenten, sie noch in die anderen Räume zu geleiten und verließ an seiner Seite den Saal. Sie sprach mit sichtlicher Zufriedenheit zu ihm und ich hörte sie noch sagen: »Es ist ein schönes, patriotisches Unternehmen, welches den armen Soldaten –«
Den Rest verstand ich nicht mehr. »Arme Soldaten –« das Wort klang mir noch lange nach, sie hatte es so mitleidsvoll betont. Ja wohl, arm, und je mehr man tat, ihnen Trost und Hilfe zu senden, desto besser. Aber wie – flog es mir durch den Kopf – wenn man sie gar nicht hinschicken würde in all den Jammer, die armen Leute: wäre das nicht noch viel besser?«
Ich verscheuchte diesen Gedanken ... es muß ja sein – es muß ja sein. Andere Entschuldigung gibt es für die Greuel des Kriegführens keine, als die das Wörtlein »muß« enthält.
Nun ging ich wieder meiner Wege. Die Freundin, die ich besuchen wollte, wohnte ganz nahe vom »Landhaus« – auf dem Kohlmarkt. Im Vorübergehen trat ich in eine Buch- und Kunsthandlung, um eine neue Karte Oberitaliens zu kaufen; die unsere war von den fähnchengekrönten Stecknadeln schon ganz durchlöchert. Außer mir waren noch mehrere Kunden anwesend. Alle verlangten nach Karten, Schematismen und dergleichen. Nun kam die Reihe an mich.
»Auch ein Kriegsschauplatz gefällig?« fragte der Buchhändler.
»Sie haben es erraten.«
»Das ist nicht schwer. Es wird ja beinahe nichts anderes gekauft.«
Er holte das Gewünschte herbei, und wahrend er die Rolle für mich in ein Papier schlug, sagte er zu einem neben mir stehenden Herrn:
»Sehen Sie, Herr Professor, jetzt geht es jenen schlecht, welche belletristische oder wissenschaftliche Werke schreiben, oder verlegen – es fragt kein Mensch danach. So lange der Krieg währt, interessiert sich niemand für das geistige Leben. Das ist für Schriftsteller und Buchhändler eine schlimme Zeit.«
»Und eine schlimme Zeit für die Nation,« entgegnete der Professor, »bei welcher solche Interesselosigkeit natürlich geistigen Niedergang zur Folge hat.«
Und da wollte mein Vater – dachte ich zum drittenmal – daß zum Wohle des Landes dreißig Jahre lang ...« »So gehen Ihre Geschäfte schlecht?« mischte ich mich jetzt laut in die Unterhaltung.
»Nur meine? Alle, fast alle, meine Gnädige,« antwortete der Buchhändler. »Mit Ausnahme der Armeelieferanten gibt es keinen Geschäftsmann, dem der Krieg nicht unberechenbaren Schaden brächte. Alles stockt: die Arbeit in den Fabriken, die Arbeit auf den Feldern, unzählige Menschen werden verdienst- und brotlos. Die Papiere fallen, das Agio steigt, alle Unternehmungslust versiegt, zahlreiche Firmen müssen Bankrott erklären – kurz es ist ein Elend – ein Elend!« »Und da wollte mein Vater –.« wiederholte ich im stillen, während ich den Laden verließ.
* * *
Meine Freundin fand ich zu Hause.
Gräfin Lori Griesbach war in mehr als einer Hinsicht meine Schicksalsgenossin, Generalstochter, wie ich, kurze Zeit an einen Offizier verheiratet, wie ich, und – wie ich – Strohwitwe. In einem übertrumpfte sie mich: sie hatte nicht nur ihren Mann, sondern auch noch zwei Brüder im Krieg. Aber Lori war keine ängstliche Natur; sie war vollkommen überzeugt, daß ihre Lieben unter dem besonderen Schutze eines von ihr sehr verehrten Heiligen standen, und sie rechnete zuversichtlich auf deren Wiederkehr.
Sie empfing mich mit offenen Armen.
»Ach, grüß' dich Gott, Martha – das ist wunderhübsch von dir, daß du mich aufsuchst. – Aber du siehst gar so bleich und gedrückt aus ... doch keine schlimme Nachricht vom Kriegsschauplatze?«
»Nein, Gott sei Dank. Aber das Ganze ist doch so traurig –«
»Ja so – du meinst die Niederlage? Da mußt du dir nichts daraus machen, die nächsten Berichte können einen Sieg vermelden.«
»Siegen oder besiegt werden – der Krieg an und für sich ist schon schrecklich ... Wäre es nicht besser, wenn es gar keinen solchen gäbe?«
»Wozu wäre denn da das Militär da?«
»Ja, wozu?« Ich sann nach. »Dann gäb' es keins.«
»Was du für Unsinn sprichst! Das wäre eine schöne Existenz – lauter Zivilisten – mir schaudert! Das ist zum Glück unmöglich.«
»Unmöglich? Du mußt recht haben. Ich will es glauben – sonst könnte ich nicht fassen, daß es nicht schon längst geschehen.«
»Was
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